Rebellion Der Engel
ihn vorsichtig herumdrehte, um mir die Verletzung anzusehen. Der beißende Geruch von Blut stieg mir in die Nase. Ich kämpfte gegen denWürgereiz an, der meine Kehle immer enger werden ließ, und zwang mich, flach zu atmen. Ich war auf einen schlimmen Anblick gefasst, doch was ich sah, war schlimmer als alles, was ich mir je hätte vorstellen können. Popcorns Bauch war von oben bis unten aufgeschlitzt. Das Fell um den klaffenden Schnitt herum war getränkt von Blut, und als ich ihn bewegte, öffnete sich der Schnitt und gab den Blick auf die Organe frei. Schluchzend zog ich das blutige Bündel in meine Arme, nicht begreifend, was ihm zugestoßen war oder wer etwas derart Schreckliches tun konnte.
Ich drückte den Kater an mich und wiegte ihn in meinen Armen. »Ich bringe es wieder in Ordnung«, flüsterte ich. Und obwohl ich nicht wusste, warum ich das sagte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich es tatsächlich konnte. Ich konnte das in Ordnung bringen. Es ungeschehen machen. Ich wusste nicht, wie, aber ich würde es tun.
Schluchzend klammerte ich mich an das blutige Fellbündel, das leblos in meinen Armen hing, und scherte mich nicht darum, dass sein Blut meine Bluse und meine Hose tränkte. Ich begriff einfach nicht, wer einem wehrlosen Tier so etwas Grauenvolles antun konnte. Oder warum. Wie lange hatte er hier gelegen, gelitten und um sein Leben gekämpft?
Trauer, Wut und Hilflosigkeit nahmen mir die Luft zum Atmen und pressten sich mit eisernem Griff gegen meine Schläfen. Ich versuchte den Schmerz abzuschütteln, doch es wollte mir nicht gelingen. Popcorn war ein Familienmitglied. Ihn zu verlieren, war schlimm. Doch weit entsetzlicher war die Art und Weise seines Todes.
»Rachel?«
Erschrocken hob ich den Kopf. Akashiels Stimme war so durchdringend, dass ich erwartete, ihn vor mir stehen zu sehen, doch da war nichts weiter als die Wärme seiner Präsenz.
»Hörst du mich, Rachel?«
Ich gab einen Laut der Zustimmung von mir, der in einem weiteren Schluchzen unterging.
Akashiel hatte mich dennoch verstanden. »Dem Chef sei Dank! Ich versuche seit einer halben Stunde, zu dir durchzudringen, aber ich konnte dich nicht erreichen. Stimmt etwas nicht?«
»Nein«, würgte ich hervor. »Pop …« Mehr wollte mir nicht über die Lippen kommen. Von einem weiteren Weinkrampf geschüttelt, drückte ich das blutige Bündel fester an mich und strich ihm über den Kopf, die einzige Stelle, an der sein Fell nicht mit Blut verkrustet war.
Die Wärme, die Akashiels Gegenwart stets begleitete, gewann an Intensität, als würde er näher kommen. Als ich jedoch den Kopf hob und mich umsah, war da niemand.
»Leg ihn hin und geh ins Haus«, hörte ich ihn sagen.
»Aber …«
»Geh ins Haus!« Ein unmissverständlicher Befehl. Sanfter fügte er hinzu: »Vertrau mir einfach. Geh hinein, schließ die Tür hinter dir und dreh dich nicht um. Sieh auch nicht aus dem Fenster. Warte, bis ich dir sage, wie es weitergeht.«
Es fiel mir schwer, seinen Worten zu folgen, und es dauerte eine Weile, bis ihr Sinn langsam zu mir durchsickerte. »Was …?«
»Versprich mir, dass du meine Anweisungen befolgst.«
Ich nickte, zu mehr war ich nicht in der Lage.
Vorsichtig legte ich Popcorn auf den Holzboden, darauf bedacht, ihn nicht in die Blutlache zu legen, aus der ich ihn hochgehoben hatte. Dann stand ich auf. Meine Knie zitterten, ebenso wie meine Hände, die – wie meine Bluse und meine Jeans – voller Blut waren. Ein wenig unschlüssig stand ich da und starrte auf den Kater, als könne allein mein Blick ihn wieder lebendig machen.
»Hab Vertrauen«, sagte Akashiel.
Das hatte ich.
Ich wusste, dass ich nicht die Kraft haben würde, mich um Popcorn zu kümmern, und war Akashiel dankbar, dass er mir das abnahm. »Ein Karton«, brachte ich mühsam hervor. »Im Schuppen.«
»Ich kümmere mich um alles.« Akashiels Stimme war ein sanftes Flüstern in meinem Ohr, doch so tröstlich es mir schien, sosehr wünschte ich mir jemanden, der mich in den Arm nahm und an den ich mich in meiner Traurigkeit klammern konnte.
»Ich möchte ihn im Garten begraben, unter den großen Kreppmyrte.«
Akashiels Stimme war sanft wie ein Streicheln. »Ich rufe dich, wenn ich so weit bin.«
Ich nickte.
Mit unsicheren Schritten ging ich zur Tür und nahm meinen Schlüssel aus der Handtasche. Ich brauchte mehrere Versuche, bis ich es schaffte, ihn ins Schloss zu stecken und aufzuschließen, wobei ich Blutspuren auf dem Türrahmen und dem Knauf
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