Rebellion des Herzens
öfter man sie ansah, um so hübscher schien sie schließlich zu werden.
Morgan hatte zu seiner Überraschung viel an sie gedacht, bevor ihr Besuch im letzten Jahr geendet hatte, und den ganzen Sommer über war er reizbar und streitlustig gewesen, weil ihm erst nach ihrer Abreise klargeworden war, daß er sie haben wollte. Dann war sie im letzten Winter nicht wiedergekommen, und seine Interessen hatten ein anderes Objekt gefunden, nichts Ernsthaftes, aber er hatte seine Gefühle für Cassie begraben, sie vergessen – bis sie wiederaufgetaucht war.
Merkwürdigerweise war es bei ihrem Wiedersehen genauso gewesen wie beim ersten Mal. Er hatte nicht viel an ihr entdeckt, was einen Mann auf sie aufmerksam machen konnte, und dachte sogar, daß er im vergangenen Jahr ein wenig verrückt gewesen sein mußte, als er sie in seine Gedanken und sogar in seine sexuellen Phantasien mit einbezogen hatte. Aber diesmal hatte es weniger als sechs Monate gedauert, bevor sich seine Gefühle wandelten. Schon einen Monat nach ihrer Ankunft begehrte er sie wieder, und es war ihm so ernst gewesen, daß er sogar seinen Vater um die Erlaubnis gebeten hatte, sie zu heiraten.
Es war typisch für R. J. MacKauleys Einfluß auf seine Söhne, daß seine Zustimmung die einzige war, die sie für notwendig erachteten, ganz gleich, worum es sich handelte. Ob Charles Stuart der Bewerbung um seine Tochter seinen Segen gab, war zweitrangig. Cassie selbst wurde nicht einmal gefragt. Die MacKauley-Männer waren unglaublich arrogant, wenn es darum ging, gewisse Dinge für selbstverständlich zu halten.
Das war auch einer der Gründe, warum R. J. so wütend auf Cassie war: daß es ihr irgendwie gelungen war, seinen jüngsten Sohn dazu zu bringen, mit der Tradition zu brechen und das zu tun, was ihm paßte, ohne R. J.'s Zustimmung. Daß das, was Clayton »paßte«, mit einem Feind zu tun hatte, streute nur noch mehr Salz in die offene Wunde. Aber auch Morgans Wunde brannte, denn er wollte Cassie immer noch und wußte, daß er sie nun niemals bekommen würde.
Er gab seinem Vater, der zu unbeugsam und in seinen Ansichten zu festgefahren war, um sich zu verändern, keine Schuld. Er gab auch der Fehde keine Schuld, deren Grund er nicht einmal kannte, die jedoch andauerte, seit er sich erinnern konnte. Er gab Cassie die Schuld an allem, weil sie ihre Nase in Angelegenheiten gesteckt hatte, die sie nichts angingen. Wenn er sie geheiratet hätte, wäre es ihm bestimmt gelungen, ihr diese Gewohnheit, sich überall einzumischen, bald auszutreiben. Nun würde er niemals die Chance dazu haben.
Aber sie würde auch niemals etwas von seinen Gefühlen erfahren. Weder durch einen Blick noch durch irgendeine Tat durfte er sich verraten. Am Ende der Woche würde sie gehen, und er konnte sich abermals daranmachen, sie zu vergessen. Wenn er sie jetzt so ansah, fand er, daß das für ihn nicht schnell genug sein konnte.
Cassie kümmerte sich nicht darum, daß Morgans grüne Augen, während sie vor ihm stand, über ihre zierliche Gestalt glitten. Trotz der peinlichen Art und Weise, wie er es ausgedrückt hatte, stürzte sie sich geradezu auf die Möglichkeit, daß Clayton MacKauley es mittlerweile vielleicht bedauerte, seine Braut ihrer Familie zurückgegeben zu haben. Diese Idee war so unerwartet, so befreiend, daß sie sie sofort aufgriff und an ihr Herz drückte. Es bedeutete, daß ihre Instinkte doch nicht so sehr in die Irre gegangen waren. Es bedeutete, daß ihr Plan, zwei Familien durch Heirat zu verbinden, um ihre Fehde zu beenden, immer noch funktionieren konnte – zu guter Letzt. Natürlich wäre sie dann nicht mehr da, um die Erfüllung ihrer Wünsche mitzuerleben, aber …
»Was machst du mit diesem Ding da, Cassie?«
Sie richtete ihren Blick wieder auf Morgan und bemerkte, daß er stirnrunzelnd das Gewehr in ihrer Hand betrachtete. Er war so überrascht darüber, daß er sogar vergessen hatte, sie Miss Stuart zu nennen. Aber schließlich war es auch das erste Mal, daß sie ihm mit einer Waffe in der Hand über den Weg gelaufen war.
»Ich hatte ein paar Schwierigkeiten mit … es waren … ach, es geht dich überhaupt nichts an, was ich damit mache«, schloß sie halsstarrig.
Aber sie ärgerte sich über sich selbst, daß sie immer noch versuchte, den Frieden zwischen diesen beiden Familien zu wahren, so wie sie es getan hatte, bevor all diese Schwierigkeiten ihren Anfang genommen hatten. Jetzt war es nur allzu wahrscheinlich, daß Morgan sich nicht weiter
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