Rebellische Herzen
meine Frau.« Er zögerte kurz; dann brachte er vor, was er anscheinend für den unwiderlegbaren Beweis hielt: »Habe fünfunddreißig Jahre lang in keinem fremdem Bett gelegen.«
Charlotte hätte fast gelacht. Waren denn alle Männer gleich? »Frauen halten Treue nicht für den ausschlaggebenden Liebesbeweis.«
»Und was ist sie dann?«, schnaubte ihr Onkel.
»Ein Zeichen für Faulheit«, schnappte Charlotte zurück.
»Du bist um keinen Deut besser geworden, Mädchen. Immer noch so frech.« Er wurde laut. »Ich bin der Earl von Porterbridge. Ich brauche den Weibern gar nicht nachlaufen. Sie kommen von selbst zu mir.«
Charlotte nickte und ihr Magen krampfte sich zusammen. Auf ihren Onkel war Verlass. Er machte sogar noch aus einer versöhnlichen Geste einen Affront und zeigte ihr dabei die eigenen Zukunftsperspektiven. Sie würde einen Viscount heiraten, der zugab, sie nicht zu lieben und dem bloße Leidenschaft genügte. Wie sollte sie nur diese Hochzeit überstehen?
Onkel Porterbridge nahm ihren Schreck als Zustimmung und sagte laut: »Nun gut. Ihr Frauen seid alle gleich. Ihr wollt das Herzblut eurer Männer. Deine Tante ist immer die einzige Frau für mich gewesen. Obwohl ein paar schon recht gut ausgesehen hätten. Also erzähl mir nicht, Fräulein Vorlaut, es läge nur an meiner Faulheit. Piper ist ganz einfach die einzige Frau, die ich je -«
Charlotte wollte nicht noch mehr hören und unterbrach ihn hastig. »Ich glaube Ihnen ja, Onkel.« Vielleicht irrte sie sich. Vielleicht war Treue für Männer der absolute Liebesbeweis.
Erneut setzte peinliches Schweigen ein.
Er räusperte sich. »Piper hat noch ein paar andere Sachen gesagt.«
Charlotte konnte nicht mehr. »Onkel, ich schätze Ihr Vertrauen, aber ich glaube, ich möchte keine weiteren Details aus Ihrem Eheleben erfahren.«
»Sie hat von dir gesprochen.«
»Oh.« Dass die Hochzeit eine Tortur werden würde, war ihr klar gewesen, aber nicht von welchem Ausmaß.
»Sie hat gesagt, wir wären zu hartherzig mit dir umgegangen, schließlich hättest du deine Eltern verloren. Ich meine, ich habe meinen Bruder verloren. Und ich habe so viel von ihm gehalten. Gab keinen Besseren als ihn. Guter Earl. Hatte nie daran gedacht, einmal den Titel zu erben.«
Charlotte erinnerte sich an die Zeit, als ihre Eltern noch gelebt hatten und ihr Onkel und seine Familie sie besucht hatten. Ihr Onkel war immer grob und laut gewesen, aber auch irgendwie … herzlich.
»Piper hat gesagt, dass die Eltern zu verlieren und den Bruder zu verlieren nicht dasselbe sei, und das wisse auch jeder Idiot. Ich wusste es nicht.«
»Manchmal fehlt es auch Männern an Einsicht«, sagte Charlotte betont gleichmütig.
»Woher zur Hölle sollen wir denn all dieses Zeug über Liebe und Gefühle wissen? Sie sagen es uns doch erst, wenn sie schon am Davonlaufen sind. Wie auch immer. Piper hat jedenfalls gesagt, wir hätten dich besser behandeln sollen und wir hätten dir die Ballsaison gewähren Sollen, die du haben wolltest. Außerdem hättest du Recht gehabt, was Howard angeht. Ich versuche doch nur … es ist schon so lange her, aber ich wollte niemals … dein Vater und ich waren immer …«
Onkel Porterbridge war ein kleinlicher, ungeschlachter Tyrann, aber er war dabei, sich zu entschuldigen. Charlotte hatte nur wenige Menschen getroffen, egal ob alt oder jung, reich oder arm, die dazu in der Lage gewesen waren. Offen gestanden, hatte sie selber damit Probleme. Sie unterbrach seine stockenden Worte. »Ich verstehe. Sie haben Ihr Bestes getan.«
Und das hatte er vermutlich sogar wirklich.
Adorna war wild entschlossen, nicht zu weinen. Eine Hochzeit war ein freudiger Anlass und kein Grund zum Flennen. Sie würde ganz einfach auf der Kirchenbank der Familie Ruskin sitzen, Charlotte den Mittelgang herunterkommen sehen und an fröhliche Dinge denken. Außerdem hatte sie noch nie bei einer Hochzeit geweint …
»Großmama?« Leila zupfte mit ihrer behandschuhten Hand an Adornas himmelblauer, spitzenbesetzter Seidenrobe. »Warum sieht Papa, da vorne am Altar, so tollwütig aus?«
Adorna schaute Leilas Finger an, wie sie ihr Kleid zerknitterten. Leila zog schnell die Hand weg. Adorna hob den Blick und schaute das Mädchen an. »Er ist nicht tollwütig, er ist glücklich.«
Leila schüttelte den Kopf. Sah man von der zerrupften Ansteckblume aus Charlottes Brautstrauß ab, wirkte sie in ihrem rosa Samtkleid sehr manierlich. »Er sieht aber nicht glücklich aus.«
»Er ist eher
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