Rebellische Herzen
alles an ihrem Benehmen wies darauf hin, dass diese Frau immer und immer wieder misshandelt worden war, bis jedes freundliche Wort für sie verdächtig klang. »Ihre Geschichte kommt dem, was ich mir dachte, sehr nahe.«
»Tut sie das?«, fragte sie spitz.
Sie war zweifellos verärgert, da sie ja eigentlich nichts aus ihrer Vergangenheit hatte preisgeben wollen. Aber wenn sie erst hörte, wie sehr ihn ihre Geschichte berührte, und welche Gunst er ihr erweisen würde, würde sie getröstet sein. »Das sagt mir auch, dass meine Pläne richtig sind.«
»Von welchen Plänen sprechen Sie?«
»Wir werden heiraten.« Als er es ausgesprochen hatte, bemerkte er er zu seiner großen Freude, dass sie zunächst sprachlos war. Die Ehre, die er ihr erweisen würde, ließ sie erstarren und große Augen machen. Er fuhr freundlich fort, um ihr Gelegenheit zu geben, sich zu fangen. »Sie sind geeignet. Sie sind wohlerzogen. Sie sind hübsch. Sie sind ausgesprochen höflich« – er machte eine Pause, aber sie lächelte nicht – »und Sie brauchen einen Ehemann.«
Sie brach nicht in Jubel aus, dankte ihm nicht, und warf sich auch nicht vor überschwänglicher Freude in seine Arme. Vielleicht missverstand sie ihn, oder vielleicht glaubte sie, dass ihm seine Anziehungskraft auf sie gleichgültig war. Deshalb beeilte er sich klarzustellen: »Außerdem begehren wir einander. Unser Vergnügen im Bett wird unbeschreiblich sein.«
Jetzt reagierte sie. Farbe schoss ihr ins Gesicht und sie senkte den Kopf wie ein angreifendes Kamel. »My … lord.« Sie setzte die Silben sorgfältig, als wäre er sich seines Titels nicht bewusst. »Ich brauche keinen Ehemann.«
Er gluckste. »Reden Sie keinen Unsinn.«
Die Krempe ihrer Haube begann zu zittern und dieses Zittern pflanzte sich durch die Arme fort bis in die Finger.
Beunruhigt versuchte Wynter ihre beiden Hände zu fassen und zwischen seinen zu wärmen.
Mit einem wütenden Stoß, wie ihn Leila nicht ungebärdiger hätte machen können, schubste sie ihn weg. In schnellem Stakkato sagte sie: »Ich habe so einen Vortrag schon einmal gehört.« Sie schnappte nach Luft. »Mir wurde schon gesagt, dass ich geeignet, wohlerzogen und tugendhaft sei, und deshalb ließe man mir das Privileg der Ehe gnädig zuteilwerden, trotz meiner Armut. Und dafür hätte ich dann Gelegenheit, meine Dankbarkeit und unsterbliche Ergebenheit auszudrücken an jedem Tag für den Rest meines Lebens.«
Er hatte sich offenkundig falsch ausgedrückt. »Ich erwarte -«
»Es interessiert mich nicht, was Sie erwarten.« Sie schrie nicht, klang keineswegs unzivilisiert, aber das Zittern hielt an, als brodelten Emotionen in ihr, die sie nicht kontrollieren konnte. »Als ich siebzehn war, war ich eine gehorsame junge Frau, die tat, was man ihr sagte, selbst wenn es bedeutete, dass es sie zu einem Nichts machte, zur Hüterin einer Leerstelle, die von Männern Ehefrau genannt wird. Aber ich habe meine Geschicke selbst in die Hand genommen.« Ihr intensiver Blick ließ ihn erstarren. »Sie täuschen mich nicht, Mylord. Sie wissen alles. Wer auch immer Ihnen meine Geschichte aufgetischt hat, er hat bestimmt das Beste vergessen.«
Sein aufrichtiges Mitgefühl auszudrücken schien ihm der einzige Weg, sie zu beruhigen. »Jeder Teil Ihrer Geschichte scheint mir eine Tragödie zu sein.«
Aber sein Mitleid schien sie nur zu beleidigen. »Dieser bestimmt nicht.« Sie hörte auf zu zittern. »Dieser Teil war ein Triumph, denn … ich … ging fort. Ich verließ das Haus meines Onkels mit einer Reisetasche und nahm eine Linienkutsche nach London.«
Er zuckte zusammen. Es verschaffte ihm Unbehagen, sich die siebzehnjährige Charlotte allein in einer Kutsche in die Großstadt vorzustellen. Obwohl er wusste, dass ihre Geschichte einen guten Ausgang nahm – oder nehmen würde, wenn sie erst seinen Antrag akzeptierte – wollte er sie vor allem vor dem Entsetzen und der Einsamkeit bewahren, die sie erlitten hatte. So stark waren seine Gefühle für sie.
»Ich zog in den Haushalt einer Bekannten«, sagte sie. »Eine Bürgerliche, die darauf brannte, ihren Sohn in die Gesellschaft aufsteigen zu sehen. Sie stellte mich an. Sie stellte mich aus denselben Gründen ein, aus denen ich geeignetes Ehematerial abgebe. Als sie hörte, dass ich davongelaufen war, war ihr Sohn auf dem besten Wege gesellschaftsfähig zu werden, und sie erlaubte mir, meinen Auftrag zu Ende zu bringen.«
Wynters Spannung löste sich ein wenig. »Dann war sie ein
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