Rebellische Herzen
wandte ihre ganze Willenskraft auf, um seinem Blick standzuhalten. Dann flüsterte sie grimmig: »Das ist genau die Art von unanständiger Konversation, vor der ich Sie gewarnt habe.«
»Lady Miss Charlotte, ich kann mich eigentlich nicht erinnern, dass Sie dieses Thema jemals angeschnitten haben.« Er legte die Stirn in Falten, als würde er nachdenken und seine Finger drückten die Stelle, an der ihr das Herz bis zum Halse schlug. »Nein. Nein. Sie haben mich vor zu konkreten Komplimenten gewarnt, vor Offenheit und vor Kritik an der feinen englischen Art, aber Sie haben mir nie verboten, mit meiner Frau in Worten Liebe zu machen.«
Was sollte sie sagen? Wo anfangen? Hatte ihre dünne Stimme überhaupt das Zeug zu der Hassrede, die sie gerne gehalten hätte? Alles, was sie zu Stande brachte, war: »Dann verbiete ich es Ihnen jetzt.«
»Sie werden mir vor unserer Hochzeitsnacht eine Menge verbieten, Lady Miss Charlotte, aber ich werde nicht hören. Sie werden erst Nein sagen, dann vielleicht, und dann werden Sie nach mir flehen, aber Ihre Worte werden nicht mehr als der Atem einer Frau gegen einen Wildbrand sein.«
Ihre Knie zitterten. Er war so angespannt, so entschlossen. Nur die Diener aus der unteren Etage wälzten sich in so einer billigen Sinnlichkeit. Es war … es war … zu erregend.
»Wissen Sie, wie die Beduinen ein Grübchen nennen?« Seine Finger wanderten zu der Einkerbung neben ihrem Kinn. »Sie nennen es Engelskuss, und sie sagen, dass es dem, der es trägt, ein langes, glückliches Leben schenkt. Ich werde mich darum kümmern.«
»Das werden Sie nicht -«
Er küsste sie. Er drückte seinen Mund gegen ihre weichen Lippen. Es war kein zärtlicher, begieriger Kuss, wie heute Nachmittag – aber seitdem war ohnehin alles anders geworden. Nun wusste sie, das es ihm ernst war mit der Heirat. Nun hatte sie der Hochzeitsfeier zugestimmt.
Er war nicht brutal, aber er erlaubte ihr nicht, ihn zurückzuweisen. Er schloss sie in die Arme, grub seine Finger in ihr Haar und legte die Hand um ihren Hinterkopf.
Er schloss seine Augen und konzentrierte sich wie ein Feinschmecker, der erlesenen Champagner verkostet. Sein Duft umgab sie. Vertraute Arme, vertrauter Geruch, vertrauter Wynter, der doch jedes Mal ein anderer war.
Er nahm ihre Unterlippe zwischen die Zähne und als sie Luft holte, öffnete seine Zunge ihren Mund. Er füllte sie mit seinem Aroma, erforschte sie, reizte sie. Doch sie wollte nur davonlaufen. Sie war so verzweifelt, dass ihr jedes Mittel recht war, also bohrte sie ihre Finger tief in seinen Unterarm.
»Tun Sie mir nicht weh«, murmelte er.
Als ob sie das gekonnt hätte. Er war größer und stärker.
Oder vielmehr- als ob sie es fertig gebracht hätte. Sie fand Gewalt abstoßend. Sie konnte Wutanfälle nicht ausstehen. Sie hatte diese Schlacht nicht gesucht und doch brachte Wynter Tag für Tag diesen Aufruhr in ihr friedliches Dasein. Er sei verflucht! Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und schlug in seine Seiten.
Er presste sie an sich. Wie ein glühendes Schmiedeeisen traf sie seine Hitze. Seine Hand in ihrem Haar, sein Mund auf ihrem, seine Arme um ihre Taille, seine herrschaftliche Größe, und ihr eigener Körper, der sich entspannte und wieder anspannte, genoss … und sich verriet.
Verlegen und bezaubert wimmerte sie.
Er schwächte den Kuss ab, wurde weniger gebieterisch, dafür verführerischer. Langsam lockerte er seinen Griff und lehnte sie an die Wand. Seine Hand umspielte ihr Kinn, und endlich ließen seine Lippen von ihr ab.
Es demütigte sie, dass ihre Lippen sich an seine klammerten.
Sie wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Sie konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen.
»Ich werde dich nicht beschämen, mein Schatz. Ich werde behutsam und liebevoll zu dir sein, und alle Ehre, die meiner Frau gebührt, für dich einfordern. Aber du wirst dich mir nicht verweigern.«
Sie rannte blindlings davon und streifte das Tischchen. Die Vase schwankte und fiel auf den Boden.
Sie starrte erschrocken auf die Scherben, die auf dem Parkett verstreut lagen. So weit war es mit ihr gekommen. Hemmungslose Panik, ungeschickte Bewegungen, und der ultimative Fehltritt.
Ihr Leben lag in ebenso vielen Scherben wie diese Vase, und alles nur wegen ihm.
Seine Stimme war so sanft und tief wie die Luzifers. »Charlotte, mein süßes Mädchen …«
Als ob ein Kosewort die Vase wieder kitten könnte! Oder ihr Leben.
Sie floh über den Korridor in ihr geheiligtes Schlafgemach.
Kapitel
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