Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
sein Handy klingelte und er ranging, wäre er fast von der Fahrbahn abgekommen.
Candice war verschwunden.
Mrs. Petrec war außer sich. Sie hatten am Abend zuvor gegessen, heute Morgen gefrühstückt, und mit Candice schien alles in Ordnung gewesen zu sein.
»Sie sagte, es gebe viel, was sie uns nicht erzählen könne«, erklärte Mr. Petrec, der neben seiner sitzenden Frau stand und ihre Schultern streichelte. »Sie sagte, sie wolle vergessen.«
Und dann war sie zu einem Spaziergang am Hafen aus dem Haus gegangen und nicht wieder zurückgekehrt. Sie konnte sich verlaufen haben, obwohl das Dorf klein war. Petrec war in der Arbeit gewesen; seine Frau hatte sich auf die Suche gemacht und herumgefragt, ob jemand sie gesehen habe.
»Und Mrs. Muirs Sohn«, warf sie ein, »hat mir erzählt, sie wäre in einem Wagen weggefahren.«
»Wo war das?«, fragte Rebus.
»Nur ein paar Straßen weiter«, antwortete Mrs. Petrec.
»Führen Sie mich da hin.«
Vor dem elterlichen Haus auf der Seaford Road erzählte der elfjährige Eddie Muir Rebus, was er gesehen hatte. Ein Auto hatte neben einer Frau gehalten. Ein kurzer Wortwechsel, von dem er allerdings nichts mitbekam. Dann öffnete sich die Tür, und die Frau stieg ein.
»Welche Tür, Eddie?«
»Eine von den hinteren. Ging auch nicht anders, vorne saßen schon zwei.«
»Männer?« Eddie nickte.
»Und die Frau ist von sich aus eingestiegen? Ich meine, sie haben sie nicht reingezerrt oder so?«
Eddie schüttelte den Kopf. Er saß auf seinem Rad und hatte es sichtlich eilig wegzukommen. Ein Fuß trat immer wieder versuchsweise ins Pedal.
»Kannst du das Auto beschreiben?«
»Groß, ziemlich protzig. Nicht von hier.«
»Und die Männer?«
»Ich hab sie nicht richtig gesehen. Der Fahrer hatte ein Pars-Shirt.« Das heißt, ein Fußballtrikot von Dunfermline Athletic. Was bedeuten würde, dass er aus Fife kam. Rebus runzelte die Stirn. Freier? Konnte das sein? Dass Candice so schnell zu ihrem alten Leben zurückkehrte? Nicht wahrscheinlich, nicht in so einem Ort, in so einer Straße. Das war keine Zufallsbegegnung gewesen. Mrs. Petrec hatte Recht: Sie war entführt worden. Was bedeutete, dass jemand gewusst hatte, wo sie sich aufhielt. War gestern jemand Rebus gefolgt? Falls ja, hatte er sich unsichtbar zu machen verstanden. Ein Peilsender am Auto? Das kam ihm unwahrscheinlich vor, aber er überprüfte trotzdem die Innenseite der Kotflügel und den Unterboden: nichts. Mrs. Petrec hatte sich nach einer von ihrem Mann verschriebenen Wodka-Therapie ein wenig beruhigt.
»Hat sie telefoniert?«, fragte er. Petrec schüttelte den Kopf. »Irgendwelche unbekannten Gesichter auf der Straße?«
»Das wäre mir aufgefallen. Nach Sarajevo ist es schwierig, sich irgendwo sicher zu fühlen.« Er breitete die Arme aus. »Und hier ist der Beweis - man ist nirgendwo sicher.«
»Haben Sie irgendjemandem von Dunja erzählt?«
»Wem hätten wir's erzählen sollen?«
Wer wusste Bescheid? Das war die Frage. Einmal Rebus selbst und dann Claverhouse und Ormiston, weil Colquhoun von der Wohnung gesprochen hatte.
Colquhoun wusste Bescheid. Der zappelige alte Slawist wusste Bescheid... Während der Rückfahrt nach Edinburgh versuchte ihn Rebus zu erreichen: keine Antwort, weder im Büro noch zu Hause. Er hatte die Petrecs gebeten, ihn anzurufen, wenn Candice wieder auftauchen sollte, aber er glaubte nicht, dass das passieren würde. Er erinnerte sich an ihren Blick, als er sie vor einigen Tagen gebeten hatte, ihm zu vertrauen. Wenn du mich enttäuschst, werde ich nicht überrascht sein . Als hätte sie schon damals gewusst, dass er versagen würde. Sie hatte ihm eine zweite Chance gegeben und an seinem Auto auf ihn gewartet. Und er hatte sie enttäuscht. Er zog sein Handy wieder hervor und rief Jack Morton an.
»Jack«, sagte er, »um Gottes willen, red mir bloß aus, dass ich jetzt was trinken gehe.«
Er versuchte es bei Colquhoun zu Hause und im Slawistischen Seminar. Dann fuhr er in die Flint Street und sah sich in der Spielhalle nach Tommy Telford um. Aber Telford war nicht da, sondern im Büro hinter dem Cafe, wie üblich von seinen Männern umringt.
»Ich muss mit Ihnen reden«, sagte Rebus.
»Na dann reden Sie.«
»Ohne Publikum.« Rebus deutete auf Pretty-Boy. »Der da kann bleiben.«
Telford ließ sich Zeit, aber schließlich nickte er, und der Raum begann sich zu leeren. Pretty-Boy stand an eine Wand gelehnt, die Hände hinter dem Rücken. Telford saß weit in seinem Stuhl
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