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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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Einkaufstüte von einer Hand in die andere. Der Betrunkene stützte sich mit der Schulter an der Hauswand ab, Stämme hatten seine Eltern die Stammgäste genannt. Korn hatten sie getrunken, »Toter Otto«, sagte sein Vater, während er ausschenkte, achtgebend, dass er bei den Gästen die 2-cl-Linie genau traf, bei seinem eigenen Glas war er großzügiger. Die Stämme hatten oft noch eine Weile vor der verschlossenen Tür gestanden, hatten durchs Buntglasfenster, Zur Kogge stand dort, darunter ein braunes Schiff, hineingestiert, während seine Mutter die Kasse gemacht, sein Vater die Zapfanlage gereinigt hatte.
    Der Schlüssel war nicht in seiner Jacke, Claas stellte die Tüte mit dem Einkauf ab, schob die Finger in die Hose.
    »Halt ma«, der Betrunkene hatte eine Hand gehoben, die Bierflasche fest umklammert, »nich trinken«, in der anderen hielt er den Bund seiner braunstichigen Jeans, der Reißverschluss stand offen, an der Hauswand war ein großer nasser Fleck.
    Claas drehte den Kopf weg, sah zur Seite, in den fließenden Verkehr, seine Finger ertasteten Metall. Die Bierflasche schaukelte noch immer in der Hand vor ihm hin und her, als er den Schlüssel ins Schloss schob, es dauerte, bis der Betrunkene sie sinken ließ. Claas nahm immer zwei Stufen auf einmal, manchmal hatte er die Stämme morgens auf dem Weg zur Schule in den rechteckigen Klinkerstraßen von Eimsbüttel wiedergetroffen, auf der Bank bei der Bushaltestelle, hatte geradeaus geguckt, ihre Rufe ignoriert. Sein Vater hatte die Freundlichkeit gehabt, beim Umschalten vom Ersten aufs Zweite mit der Fernbedienung in der Hand zu sterben. Seine Mutter in einem Pflegeheim war zäher gewesen.
    Das Licht wurde mit jedem Schritt heller, Claas ging an der Konsole vorbei, warf den Schlüsselbund ohne hinzusehen in die Schale, Treibholz, aus einem Stück gearbeitet, sie schwankte hin und her. Die nächste Reihe Strahler blendete auf, sie hatten Bewegungsmelder installieren lassen, seine Idee. Er rief nicht hallo, in der letzten Woche hatte er sich dabei erwischt.
    Auf dem Heimweg hatte er beim Hauptbahnhof gehalten, der Kaisers war noch geöffnet, ihm war nichts Besseres eingefallen, als einen Stapel Tiefkühlpizzen und zu jedem Karton eine Flasche Rotwein in den Einkaufswagen zu legen. Milch kaufte er, Kaffee hatte er aus der Praxis mitgenommen. Den Laptop nicht, an der Kasse hatte er überlegt, ob er zurückfahren sollte, Impulskontrolle hatte er gedacht, hatte es lautlos buchstabiert, i, m, p, u, l, s, k, o, n, t, r, o, l, l, e. Er sah ihn auf dem Schreibtisch liegen, zugeklappt, das hellgrüne Licht leuchtete unbeirrt. Bleib bei deinen Entscheidungen, dachte er.
    Er legte den Ordner auf den Esstisch, der Flur wurde wieder dunkel, das Licht in der Küche musste er mit der Hand anschalten. Claas riss die Pizzakartons auf, legte eine Quattro Stagione in den Ofen, die restlichen versuchte er im Eisfach zu verstauen. Theresas Beutel und Plastikbehälter, keiner beschriftet, hatte er nicht angerührt. Er zog Tiefgefrorenes hervor, hielt die Beutel ins Licht, meist enthielten sie Fleischstücke in erstarrter brauner Soße. Er räumte die erste Schublade leer, verteilte den Inhalt auf die anderen, schabte Eis von den Unterseiten, pulvrige Kristalle, wenn er sie auf und zu schob. Das Eis begann auf dem Fußboden zu schmelzen, löste Dreck von den Sohlen, bildete braune Streifen auf den Terrakottafliesen. Er hatte die Putzfrau angerufen, ihr gesagt, sie solle Urlaub nehmen, bis Theresa zurück war. Vier Tage, zweihundert Euro gespart.
    Er ging zum Barschrank, schob Gläser beiseite, griff nach dem Stiel des mundgeblasenen, groß wie ein Säuglingskopf, mit Theresa in Portugal gekauft. Er ließ zwei Finger hoch braune Flüssigkeit die Glaswand hinablaufen, der Ordner, Haus stand auf dem Rücken, lag auf dem Esstisch. Er musste die Heizkosten abrechnen, vierzehn Wohneinheiten, eine Gewerbeeinheit hatte in der Objektbeschreibung gestanden. Claas hatte das Haus nicht haben wollen, die anderen hatten auch gekauft.
    Der Brief des Ablesedienstes war nicht in der Schale auf der Schlafzimmerkommode, Claas meinte, ihn dort hingelegt zu haben, den Ablesedienst musste er nicht verstecken. Er hatte den Umschlag nicht geöffnet, mit der Aufstellung schickten sie die Rechnung, im Schlafzimmer war er nicht, ebenso wenig in der Küche. Er konnte sich nicht erinnern, wann er begonnen hatte, die Post auf die Wohnung zu verteilen, statt sie zu öffnen. Zunächst war ihm nicht bewusst

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