Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
nicht leichter, denn kein Politiker welcher Partei auch immer kommt, wenn er einmal im Amt ist, an den Medien vorbei. Und die Staatsanwaltschaften hängen an der langen Leine des jeweiligen Justizministers, der mit seinen Weisungen die Grenzen der Unabhängigkeit der Justiz markiert.
Die richterliche Unabhängigkeit, die als grundlegende Garantie für die Gewaltenteilung geschaffen wurde, will ich nicht beanstanden. Im Gegenteil, die Gewaltenteilung ist richtig und wichtig und keinesfalls Gegenstand der Kritik. Die Kritik bezieht sich vielmehr darauf, dass die Tatsache, dass auch die richterliche Unabhängigkeit einen Richter nicht von der Bindung an das Gesetz enthebt, in der Realität nicht kontrollierbar ist. Es muss ein Weg gefunden werden, der sicherstellt, dass sowohl die Gewaltenteilung unangetastet bleibt, als auch die richterliche Tätigkeit einer effektiven rechtlichen Kontrolle unterworfen wird.
Formlos, fristlos, fruchtlos
Vielleicht sagen manche jetzt: »Es gibt aber doch die Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerden!« Ja, die gibt es, nur werden sie in Juristenkreisen schon immer als »fff« bezeichnet, als »formlos, fristlos, fruchtlos«, weil sie regelmäßig ohne Konsequenzen bleiben.
Staatsanwälte sind weisungsgebunden, das heißt, ihr nächster Vorgesetzter hat ihnen gegenüber ein Weisungs- und Aufsichtsrecht. (Für Richter gilt das wegen des Prinzips der richterlichen Unabhängig keit nur eingeschränkt.) Ebenso verhält es sich bei Behörden mit der nächsthöheren Behörde. Man hat also zumindest theoretisch die Möglichkeit, bei dem Weisungs- und Aufsichtsberechtigten des jeweiligen Beamten, dem man eine vermeintliche Verletzung der Dienst pflicht vorwirft, Beschwerde einzulegen. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist oft die einzige Möglichkeit des Bürgers, sich gegen Willkür eines Justizbeamten zur Wehr zu setzen.
In Jörgs Fall hat Dr. Birkenstock eine gut begründete Dienstaufsichtsbeschwerde, gegen den Generalstaatsanwalt Dr. Uwe Schlosser von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, den Leitenden Oberstaatsanwalt Alexander Frenzel von der Staatsanwaltschaft Mannheim den Oberstaatsanwalt Oskar Gattner von der Staatsanwaltschaft Mann heim und den Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge, ebenfalls Staatsanwaltschaft Mannheim, erhoben. Diese Dienstaufsichtsbeschwerde ging ihren Weg (der dadurch, dass ein Generalstaatsanwalt involviert war, ein kurzer war) bis zum damaligen Justizminister Ulrich Goll. Dieser erklärte sich prompt für unzuständig und leitete sie an den Generalstaatsanwalt in Karlsruhe weiter, der die Aktionen seiner Untergebenen aber stets gebilligt hatte und daher der falsche Adressat war. Schlussendlich blieb alles daher geradezu zwangsläufig erfolglos.
Gegenüber dem Bürger halten die Instanzen zusammen und ziehen die Zugbrücke hoch, auch wenn hinter den Burgmauern bei Polizei, Steuerfahndung und Justiz interne Bossing- und Mobbingattacken ablaufen, wie gelegentlich publik wird. Wir als Außenstehende können uns schon glücklich schätzen, wenn es irgendein zur Mäßigung aufrufendes Schreiben an die betroffenen Staatsanwälte geben sollte.
Was also bringt die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Kon trolle mittels einer »Dienstaufsichtsbeschwerde«, wenn sie in der Praxis der Behörden zur Floskel verkommt und allenfalls Selbstverteidigungs reflexe auslöst? Nur am Rande ein paar Google-Ergebnisse dazu: 1 030 Suchergebnisse findet man bei Google zu »Dienstaufsichtsbeschwerde zurückgewiesen« und 105 zu »Dienstaufsichtsbeschwerde abgewiesen«. Dem stehen ganze acht Suchergebnisse zu »Dienstaufsichtsbeschwerde erfolgreich« und fünf zu »Dienstaufsichtsbeschwerde stattgegeben« gegenüber.
Anträge zur Besorgnis der Befangenheit
Die Strafprozessordnung geht also grundsätzlich davon aus, dass Richter und Staatsanwälte, die einen Eid auf das Gesetz abgelegt haben, sich immer und in jedem Fall vollständig daran halten. Wenn ein Richter einer Strafkammer von der Verteidigung als befangen abgelehnt wird, dann sollen die anderen beiden Richter aus derselben Kammer, die täglich mit diesem zusammenarbeiten, objektiv darüber entscheiden können, ob der Kollege im vorliegenden Fall dem Angeklagten gegenüber befangen agiert haben könnte, und zwar sollen sie dies aus der Sicht eines, wie es heißt, verständigen Angeklagten beurteilen. Das ist in der Realität jedoch nahezu unmöglich, weil es die psychologischen und sozialen Aspekte des Berufslebens vollkommen
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