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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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war dunkel und ruhig, aber seine Augen sprachen eine vollkommen andere Sprache als alles, was er mit Stimme und Mimik vermitteln wollte. Er stellte letztendlich wenige Fragen, allerdings solche, die klar darauf abzielten, irgendwelche noch so kleinen Widersprüche in meinen Aussagen zu finden. Er stellte sogar eine Frage, die genau so schon einmal von Frau Bültmann am vorhergehenden Vernehmungstag gestellt und von mir beantwortet worden war. Ich wies darauf hin, weil ich von Kutsch wusste, dass man innerhalb einer Vernehmung nicht zweimal auf dieselbe Frage antworten muss, und würgte die Frage so gut es ging ab. Nicht weil ich sie nicht noch einmal hätte beantworten können , sondern einfach, weil er mich zu einem Machtspiel herausforderte.
    Die Befragung durch Gattner war überraschend kurz. Oltrogge lächelte nur, Franz wollte nichts wissen, und als Nächstes waren die Gutachter des Gerichts an der Reihe. Professor Mattern begann. Er stellte ergänzende Fragen zu Jörgs und meinem Sexualleben, die ich nicht verstand und die zumeist, wie ich dachte, auch schon beantwortet worden waren. Nach meinen Antworten schien er so unglücklich wie zuvor zu sein.
    Der Nächste war Professor Pleines, der vom Gericht bestellte Psychiater, der Jörg begutachten sollte. Er hatte entgegen seinem strengen Gesichtsausdruck und seiner zuweilen steif wirkenden Haltung eine einnehmende weiche Stimme, die ich so nicht erwartet hätte. Ich weiß noch, dass sie mich für einen Moment aus dem Konzept brachte. Er fragte nach Jörgs Lebensumständen, seiner Kindheit und nach allem, was ich wusste über Jörgs Vergangenheit. Insgesamt war er einer der angenehmsten Fragensteller von allen, und das, obwohl er alles mitschrieb (was immer verstörend ist) und nie lächelte oder auch nur einen Gesichtsausdruck zeigte, der seine innere Haltung hätte erraten lassen. Er war undurchschaubar, was vermutlich beabsichtigt war.
    Als Letzte zu meiner Linken war Professorin Greuel an der Reihe. Die Aussagepsychologin aus Bremen, die Staatsanwalt Oltrogge bestellt hatte, um die vernichtenden Vorgutachten der Verteidigung über die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zu widerlegen – ein Schuss, der nach hinten losgegangen war. Von Nahem sah sie weitaus weniger streng und älter aus als auf den Fotos, die ich von ihr gesehen hatte, und im Gegensatz zu Professor Pleines, der links von ihr saß, strahlte sie Unsicherheit aus. Ihre Fragen betrafen fast alle Themen, die behandelt worden waren, konzentrierten sich aber besonders auf typische Verhaltensweisen Jörgs.
    Zuletzt konnten die von der Verteidigung geladenen Gutachter ihre Fragen stellen: Professor Rothschild hatte keine, und Professor Brinkmann, der außerordentlich freundlich war, aber von Nahem wiederum viel strenger aussah als auf Fotos, stellte noch einige Fragen, die, weil angenehm vorgetragen und zurückhaltend formuliert, gut auszuhalten waren.
    Birkenstock richtete überraschenderweise nur eine einzige Frage an mich, nämlich ob jemals ein Pressevertreter auf mich zugekommen sei. Ich antwortete, dass man mir einen Strauß Blumen über die Firma Fleurop nach Hause zugestellt hätte, verbunden mit einem Telegramm, in dem ich aufgefordert wurde, mich bei der Chefreporterin der Bunten unter der angegebenen Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu melden, da man sich ja ohnehin beim Prozess sehen würde und sie noch einiges vor meiner Aussage mit mir besprechen wollte. – Wie ich darauf reagiert hätte, fragte Birkenstock. Ich antwortete, dass ich ihr eine einzige Mail geschickt hatte mit der unmissverständlichen Bitte, mich nie wieder zu kontaktieren.
    Richter Bock wollte am Schluss dann doch noch etwas wissen: ob ich denn mit dem Angeklagten, angenommen, er würde freigesprochen, wieder zusammenkommen wolle.
    Ich wollte mich zunächst auf das Thema nicht einlassen, denn erstens ging es niemanden etwas an, zweitens wusste ich überhaupt nicht, was ich wollte, und drittens saß Jörg mit im Raum. Richter Bock setzte eine missbilligende Miene auf, und Kutsch flüsterte, dass ich hierzu nichts sagen müsse. Ich spürte aber, dass ich die vielen Stunden tapferen Beantwortens auch der unsinnigsten Fragen entwerten würde, wenn ich die Antwort auf gerade diese Frage jetzt verweigerte. Also antwortete ich doch und sagte, wie es war: dass ich das nicht wisse, dass zu viel passiert sei, um einfach so aus dem Stand eine Gefühlsklarheit behaupten zu können; dass die Zukunft davon abhinge, ob wir miteinander

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