Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
verteidigt zu werden; im Anwaltsteam selbst kam es zu Disharmonien. Nur Miriam stand und schrieb für mich (ein paar kachelmanntypische Füllwörter plus etwas Latein habe ich noch reinredigiert, damit es auch ein bisschen von mir ist) schon Anfang November 2010 an die Verteidiger:
»Sehr geehrte Frau Combé, sehr geehrte Herren Dr. Birkenstock, Schroth und Prof. Höcker,
aufgrund der letzten Nachrichten aus der Kammer, nach der diese augenscheinlich relativ unbeeindruckt von der grotesken Aussagequalität der Nebenklägerin festhält, dass sie noch in keiner Richtung festgelegt sei und alles für offen hält, bin ich zur Überzeugung gekommen, dass jede Form von Appeasement gegenüber der Kammer sinnlos ist. Was 1938 mit Neville Chamberlain falsch war, kann heute nicht richtig sein. Wir haben bisher ein rationales Verhalten der Kammer dann erreicht, wenn wir sowohl fortiter in re als auch in modo waren. Suaviter funktioniert bei dieser Kammer nicht, und ich möchte mich nicht davon verabschieden, dass Frau Combé zwischendurch den Puls fühlt, aber wir sollten sonst so anstrengend wie möglich sein. Die Kammer hat unsere Freundlichkeit missverstanden und sie als Zeichen von Schwäche gesehen, mithin als verklausulierte Bitte um milde Behandlung meiner Person. Unsere und meine Haltung erscheint der Kammer und der Öffentlichkeit unlogisch. Ich werde als eiskaltes Monster dargestellt [durch den formidablen Professor Seidler aus Heidelberg, Anmerkung JK ], mit Hitler verglichen, und wir bleiben freundlich. Die Kammer findet, dass ich ein Arschloch bin, und wird von dieser Meinung nicht mehr abrücken. Da ich mich aber defensiv verhalte und mich nicht wehre, glaubt die Kammer an ein dunkles unentdecktes Geheimnis und sieht, wie Dr. Bock das formulierte, noch Ermittlungsbedarf. Wir müssen unser Verhalten ändern und uns wehren und aggressiv sein, mit allen Mitteln, um eine Kongruenz herzustellen zwischen Erwartung der Öffentlichkeit (wenn er unschuldig wäre, würde er sich wehren) und der Kammer einerseits und unserem Verhalten andererseits.
Ich bin, wie Sie wissen, unschuldig, und wir müssen nicht mit Freundlichkeit bei der Kammer um Gnade winseln. Wenn die Kammer verurteilungswillig ist und bleibt, möchte ich, dass wir mit allem gekämpft haben, was zur Verfügung steht. Ebenso möchte ich aus denselben Gründen, dass für jeden Belastungszeugen der StA zwei Entlastungszeugen durch uns geladen werden. Es geht darum, dem Versuch der Monstrifizierung meiner Person entgegenzuwirken – diese durch uns geladenen Zeugen können zwar nicht aufheben, dass ich horribile dictu mehr als eine Beziehung gleichzeitig hatte. Aber sie können geraderücken, dass ich nicht das eindimensionale Monstrum bin, das durch Seidler mit Psychopathie und Hitler in Zusammenhang gebracht wird. Ich möchte um alles und gegen alles kämpfen, was von der anderen Seite kommt, egal wie klein und unwichtig es scheint. Ich möchte, dass alles Widerlegbare von allen (belastenden) Zeuginnen widerlegt wird, alles ist wichtig, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht.
Wir haben zudem gelernt, dass Frau Dinkel auf Medienberichte sensibel reagiert. Ich möchte zu einer aktiveren Medienpolitik kommen, die keine Rücksichten auf Befindlichkeiten der Kammer nimmt. Es mag deren Interesse sein, die m. E. selbstvernichtenden Aussagen von Frau Dinkel unter Verschluss zu halten, um StA und Dinkel selbst zu schützen und womöglich am Ende eine Verurteilung/einen Freispruch zweiter Klasse begründen zu können, weil ja niemand so richtig erfahren hat, was im Dinkel’schen Dunstkreis zwischen Eltern und Seidler so alles passiert ist. Es gibt ein großes Unbehagen über den weitgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit.
Weiter möchte ich durch Sie geprüft haben, welche Zivilprozesse gegen Frau Dinkel wir bereits jetzt anstrengen können, auch die Hitler- und Psychopathie-Bemerkungen von Seidler scheinen mir justitiabel, sein ›Gutachten‹ ist zumindest Beihilfe zur Freiheitsberaubung.
[…]
Und wir müssen systematisch über Mattern und Seidler informieren – wir haben zulassen müssen, dass Brinkmann und Elliger kaputtgemacht wurden, was hindert uns daran, auf Mattern und Seidler dezidiert loszugehen? Ja, wir machen das hoffentlich im Saal. Aber nicht nur dort. Mattern ist, wie man auf seiner Homepage lesen kann, kein Spezialist für so was wie in diesem Prozess – er kennt sich vor allem bei Toten, Gift und Verkehr aus.
Kurzum: Alles das,
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