Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
redeten und wie er sich verhalten, was er sagen werde und vor allem, was ich am Ende dann fühlen würde.
Damit war die Befragung beendet. Ich wurde aus dem Zeugenstand entlassen, Alle standen auf und verließen, sich unterhaltend, den Saal. Es war vorbei!
Kutsch und ich warteten im Zeugenraum noch auf die Kripo Heidelberg, die uns im blickdichten Auto aus der Tiefgarage des Landgerichts zurück zu unserem Wagen fuhr, wo wir uns wieder in das uns schon bekannte McDonald’s-Restaurant begaben. Auf dem Weg dorthin rief mich Frau Birkenstock an, ob ich mich denn mit Jörg treffen wolle und dass er darum gebeten habe. Ich stimmte zu.
Große Frustration
Während der letzten Stunde von Miriams Einvernahme notierte ich mir aus den Unterlagen meines Verteidigers Schroth ihre Handynummer. Ich war mir nicht sicher, ob die Birkenstocks helfen würden, ein Treffen mit ihr hinzubekommen, sie sahen privat eine andere Zukunft für mich.
Ich insistierte, und wir trafen uns am Abend des 29. September 2010 bei Birkenstocks zu Hause und hatten einiges zu besprechen, vor allem ich hatte einiges zu erklären. Es war ein sehr schwieriger Moment, nach all dieser langen Zeit, all dem Scheiß, kurz alleine in der großen Eingangshalle im Haus des damaligen Verteidigers. Miriam war sehr dünn geworden, sie wog vielleicht gerade noch gut fünfzig Kilo, rauchte dafür wie ein Schlot. Ich spürte, wie nahe ihr alles gegangen war, und es tat mir leid, wie es ihr ging, auch wenn letztendlich Dinkel mit ihrer Falschbeschuldigung für die ganze Katastrophe verantwortlich war. Bei der ersten Umarmung nach über einem halben Jahr war jede Rippe fühlbar. In den Monaten darauf habe ich jedes Miriam-Kilo mehr als kleinen persönlichen Erfolg gesehen, den Erfolg der Dinkelei zurückzudrehen.
Noch in derselben Nacht erfuhr ich von Miriam, dass sie sich in der ganzen Zeit intensiv mit meinem Fall und dem Verhalten der deutschen Justiz befasst hatte, und das mit großer und ernsthafter Akribie – sie wusste über die juristischen Implikationen meines Falls deutlich mehr als ich. In den kommenden Wochen wurde sie zu einer wichtigen Stütze und half auch der Verteidigung. Parallel zur nicht gerade zunehmenden Energie von Birkenstock nahm Miriam immer mehr Aufgaben wahr und produzierte immer mehr Papier, das später sogar in die Gerichtsakten Eingang fand, zum Beispiel eine grafische Darstellung der unterschiedlichen Versionen der Nebenklägerin über den erfundenen Tathergang. Miriams Kampf war mehr als notwendig, es war die Zeit im Oktober und November 2010, als sich der Frust über die Unbelehrbarkeit des Mannheimer Gerichts wie Mehltau über alle und alles legte und als Birkenstock wohl spürte, dass seine rheini sche Umarmungsstrategie als Schwäche ausgelegt und ausgenutzt wer den konnte nach dem Motto: Wenn sein Mandant wirklich unschuldig ist, warum ist der dann zu uns Richtern so nett?
Es wurde die schlimmste Zeit während des Prozesses. Man spürte die Frustration überall: eine gewisse Ratlosigkeit in der Verteidigung, das furchtbare Bild -Interview mit mir, das Birkenstock dringend gewollt hatte, Unterstützerforen im Internet verzweifelten an der Nachrichtenlosigkeit wegen des andauernden Ausschlusses der Öffentlichkeit und begannen um Infos zu betteln, die wir natürlich nicht geben konnten und wollten. Ich fing an, drängende Mails an das Verteidigungsteam zu schreiben, weil ich spürte, dass alles schieflief. Gericht und Staatsanwaltschaft frohlockten, als Birkenstock im Bemühen, auch dahin zu gehen, wo es wirklich wehtut, noch einen Dialog mit dem Journalisten Heidemanns von der Bild begann. Heidemanns machte kein Geheimnis daraus, dass er fast über jeden Promi und Politiker eine volle Schublade hat und dass es kein Zufall ist, wenn ein Star, der bisher eher zurückhaltend in der Öffentlichkeit agiert hat, plötzlich »freiwillig« Heim oder Weinberg herzeigt. Auch, so ließ Heidemanns durchblicken, würde man in Zukunft über den Politiker Wulff noch einiges hören.
Es war November, und alles fühlte sich nach November an. Miriam (internes Codewort bei Frau Combé und mir: »die entlassene Zeu gin«), die auch zu Professor Seidler aus Heidelberg ein über vierzig Seiten starkes Kleingutachten über die »Wissenschaftlichkeit« seiner Methodik sowie Fragenkataloge für alle Zeugen schrieb, war die Ghostwriterin dieser drängenden Mails an die Verteidiger. Ich war wie paralysiert durch den Eindruck, nicht mehr angemessen
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