Rechtsdruck
runtergeht. Aber behalt es weiterhin
im Auge; wenn die Aufrufe und Kommentare noch mal deutlich mehr werden sollten,
obwohl ich mir das nicht vorstellen kann, schaltest du einfach ab.«
Frey hatte für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, dass es ein
Fehler sein könnte, in dieser Art mit der Situation umzugehen, dann jedoch setzte
sich die Erkenntnis durch, dass vermutlich nichts Weltbewegendes daraus erwachsen
würde.
»Schon erledigt«, erklärte er nach ein paar schnellen Bewegungen mit
der Maus in seiner Hand. Ab diesem Augenblick liefen alle Kommentare der Leser unter
dem Text des Artikels auf.
Endlich mal einer, der sich traut zu sagen, wie es wirklich ist!!!!!
Gebauer for Präsident.
Bravo, Herr Gebauer, ganz meine Meinung. Bitte gründen Sie eine neue
Partei, ich werde das erste Mitglied.
Das wurde auch Zeit, das entlich mal einer auspricht, was sowiso jeder
hier weis und denkt.
Deutschland den Deutschen!
Ich bin sicher, dass jetzt viele, speziell auf Seiten der linken Kampfpresse,
auf Dr. Justus Gebauer einschlagen werden, dabei spricht der Mann nur aus, was die
meisten der Deutschen schon seit vielen Jahren denken. Ich auf jeden Fall kann mich
seinen Worten nur anschließen und werde ihn auf jeden Fall wählen. Solch einen Oberbürgermeister
braucht unsere Stadt.
Wenn gesammelt wird für eine 9-mm-K…l für diesen Gebauer-Naz. sagt
mir Bescheid, ich gebe 50 Euronen dazu.
Heil Gebauer!
Endlich!
Raus mit dem Islampack aus unserem Land!
Was fällt solchen Leuten nur ein? Reicht es nicht, dass Herr Gebauer
einen Behinderten geschlagen hat, muss er jetzt auch noch gegen religiöse Minderheiten
hetzen?
Gründen Sie eine neue Partei, Herr Gebauer!
Mein jüngster Sohn ist in seiner Klasse der einzige Deutsche. Neulich
kommt der nach Hause und erklärt mir ohne rot zu werden, dass Christen Ungläubige
sind.
Wie weit muss diese falsch verstandene religiöse
Toleranz noch gehen, bevor es zum großen Knall kommt?
Gebauer ist ein Nazihurensohn.
*
Eine Viertelstunde später hatte sich die Zahl der Kommentare auf 2158
erhöht, und ein Ende war längst nicht abzusehen. Peter Frey las den einen oder anderen,
doch er war noch nicht lange genug in der Redaktion, um deren teilweise brisanten
Inhalt richtig bewerten zu können. Außerdem war er Informatiker, kein Redakteur.
Wieder und wieder füllten sich die Seiten, und Frey hatte seine helle Freude daran.
Das war doch offenbar mal ein Thema, wofür sich die Leute interessierten.
Er kannte diesen Gebauer nicht, hatte auch noch nie von ihm gehört,
aber was er in der Pressekonferenz so von sich gegeben hatte, das konnte sich hören
lassen. Der Praktikant hatte seit der Aufnahme seines Studiums vier Jahre zuvor
in der Nordstadt gewohnt, etwa einen Kilometer Luftlinie von der Uni entfernt. Eine
wilde Gegend mit hohem Ausländeranteil, aber dafür war die Miete billig. Letzten
Monat war ihm zum dritten Mal ein Fahrrad geklaut worden, und am darauffolgenden
Tag hatte er einen Türkenjungen erwischt, der seelenruhig damit im Viertel herumfuhr.
Er fühlte sich nicht als Ausländerfeind, nein, das bestimmt nicht, aber irgendwer
musste doch mal aufstehen und diesen Kanaken sagen, dass es so nicht weitergehen
konnte.
Vielleicht ist dieser Gebauer ja genau der Richtige dafür, dachte Frey,
und öffnete einen weiteren Kommentar.
Wir sind Ihnen so dankbar, Herr Dr. Gebauer, dass Sie sich getrauen
auszusprechen, was so viele Kasseler und wir Deutschen überhaupt denken!
Das Klingeln des Telefons auf dem Schreibtisch riss ihn aus seinen
Überlegungen.
»Ja, Onlineredaktion, Frey«, meldete er sich. Am anderen Ende der Leitung
war seine neue Freundin. Die beiden waren seit etwas mehr als zwei Wochen zusammen.
»Hey, Baby. Geil, dass du mich anrufst. Du kannst dir überhaupt nicht
vorstellen, was hier heute los ist«, begann er.
Kurz darauf war der Praktikant so sehr in das intensive Telefonat mit
der Anruferin vertieft, dass er keinen Blick mehr für die immer zahlreicher und
auch aggressiver werdenden Kommentare zu Gebauers Pressekonferenz und den Thesen,
die er dort postulierte, hatte.
Eine weitere Viertelstunde später schnatterten sich die beiden noch
immer gegenseitig belangloses Zeug in die Ohrmuscheln. Frey hatte die Füße auf dem
Schreibtisch abgelegt und hoffte ein wenig darauf, dass sie ihn für den Abend zu
sich nach Hause einladen würde, damit endlich der erste richtige
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