RECKLESS HEARTS
eingeschränkt erfüllte. Er spähte unauffällig zu ihr herunter und bemerkte ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Bis zum Taxistand waren es noch einige wenige Meter.
Atilla saß unruhig im Wagen und wartete zusammen mit Niklas und Jimmy, die vor Ungeduld alle paar Sekunden seufzten und stöhnten, auf Alex` Rückkehr. Was sie jedoch durch die Scheibe beobachten konnten, stimmte sie wenig optimistisch. Wenn sie doch endlich im Quartier ankommen, sich und den Tresor in Sicherheit wähnen und die ganze Aktion zu Ende bringen könnten, aber das da draußen konnte noch eine Weile dauern.
Es hatte noch ein paar andere Jungs gegeben, die für Atillas Zwecke in Frage gekommen wären, Jungs, die ebenso wie Alex geschickte, mutige Fahrer waren, die bei den Rennen nur knapp hinter Alex gelegen hatten, aber weitaus aggressiver und hartgesottener auftraten, Marke derbe Draufgänger mit ebensolcher Sprache. Und gerade aus diesen Gründen waren sie bei Atilla, dem Feingeist, durchgefallen. Atilla hatte auf jemanden bestanden, der nicht nur risikobereit war, sondern neben Coolness, auch Herz und Anstand besaß und hatte all das - es war nichts als der reinste Glücksfall - in Alex gefunden, der sich nun vor lauter überquellender Hilfsbereitschaft kaum von der Frau lösen konnte.
Alex atmete zusammen mit der Kälte den Duft ihrer Haare ein und versuchte konzentriert sein Ziel im Auge zu behalten. Sie hatte sich mit ihrem rechten Arm fest um seine Taille geklammert, als würde sie sonst zusammenfallen und drängte ihre rechte Seite an seinen harten Körper, um ihre linke zu entlasten. Für Alex fühlte sie sich so leicht und zerbrechlich an, dass er fürchtete, er könnte ihr mit seinem kräftigen Griff noch mehr weh tun. Flüchtig blickte er über die Schulter zu den anderen im Wagen und konnte sogar im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung den Unmut in ihren Gesichtern erkennen.
Als sie es endlich bis zum Taxi geschafft hatten, machte der Fahrer nicht mal Anstalten, auszusteigen und ihnen die Tür zu öffnen. In diesem Augenblick überkam Alex das unbestimmte Gefühl, dass etwas ziemlich verkehrt lief.
»Wo wollen Sie eigentlich hin?«, fragte er Selin erneut, und diesmal hatte er eine ehrliche Antwort verdient, wo er sie schließlich fest an sich gedrückt auf Beinen hielt.
Sie kniff die Augen zusammen und holte tief Luft.
»Ich … Vielen Dank, ähm, Alex, für ihre … für deine ganze Mühe, wirklich! Ich setze mich jetzt da rein, ja. Deine Freunde warten auf dich.« Sie blickte energisch wie ein kleines Vögelchen zu ihm auf. Alex lockerte seinen Griff dennoch kein bisschen, sah verständnislos in ihr Gesicht, sah den geballten Trotz in ihren dunklen Augen … und etwas Mysteriöses dahinter …
»Warum kann ich dich nicht ins Krankenhaus bringen?«, fragte er in einem viel zu rauen Ton. »Schau dich an, du kannst nicht alleine gehen.«
Sie schüttelte stur den Kopf. »Weil ich nicht will!«
»Dann werden wir dich eben nach Hause fahren. Du wohnst doch irgendwo, oder?« Jetzt klang er forscher als sie, und Selin wurde langsam ungehalten. Sie hatte Schmerzen, fühlte sich ausgelaugt, wollte in das verdammte Taxi steigen und zurück in die Weichselstraße, sie musste noch ihre fixe Idee abhaken, und danach würde sie, wie es nun ihr Plan war, zum Flughafen fahren und einfach wegfliegen. Allerdings wusste sie nur zu gut, dass dieses Vorhaben insbesondere in Anbetracht ihrer momentanen Verfassung völlig verrückt schien und ihr Qualen bevorstanden.
»Und wo wollt ihr denn überhaupt hin?«, fragte sie mit einem skeptischen Gesichtsausdruck und einem ebenso unwirschen Ton, den sie allerdings sofort bereute. Alex` Stimme wurde dennoch weicher. »Nach Hause«, sagte er nach einem kurzen Moment der Irritation. »Ist ja schon reichlich spät.«
Sie sah ihn müde an. »Eben. Ich habe euch schon genug aufgehalten«, sagte sie leise, klang aber irgendwie auch resigniert. Eine Atempause später fragte sie: »Und wohnt ihr etwa alle zusammen?«
»Ja. Nein! Nicht wirklich.«
Sie sah ihm in die Augen, weil sie diese merkwürdige Antwort nicht verstand, und weil sie plötzlich nicht anders konnte, als genau dies zu tun. Selbst im Dunkel der Nacht strahlten seine blauen Augen bemerkenswert hell. Ihr schien es auf einmal, als verberge sich hinter seinem ernsten Blick etwas, das ihr Vertrauen verdiente.
Jetzt lächelte er verhalten und begann ganz vage zu vermuten, dass Selin möglicherweise ein Geheimnis mit sich herumtrug.
»Du
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