Reckless - Lebendige Schatten
durch den Rauch, der das Schiff immer dichter einhüllte. Das Deck brannte, aber er musste hinauf! Fuchs war dort und vielleicht waren noch nicht alle Rettungsboote zu Wasser gelassen.
Sie begann, das Seil einzuholen, aber sie fand kaum Halt, so sehr schlingerte die TITANIA, und Jacob war schwer. Das Flaggschiff sank, mitsamt der ganzen albischen Flotte. Zwischen den brennenden Fregatten trieb das Eisenschiff, die gepanzerten Flanken zerfetzt, über sich die Flugzeuge wie schwärmende scharlachrote Wespen.
Jacob schob den Täuschbeutel unters Hemd und begann zu klettern, die Füße gegen den Schiffsrumpf gestemmt, um Fuchs die Last leichter zu machen. Unter ihm schlug die Galionsfigur weiter mit den Flügeln wie ein kopfloses Huhn. Die Warnung, die Fuchs über die Reling schrie, kam zu spät. Jacob versuchte, den Flügeln auszuweichen, aber ihre Kanten waren scharf wie Klingen. Der schwarze Zauber, der in ihnen nistete, durchtrennte das Rapunzelseil kaum eine Handbreit über Jacobs Kopf, und er fiel wie ein Stein auf die brennenden Wellen zu.
23
MAL DE MER
J acob war nicht sicher, ob ihm sein eigener Schrei in den Ohren gellte oder die Rufe der ertrinkenden Männer, die um ihn herum in den Wellen trieben. Das Meer war eisig, und er klammerte sich an eine vorbeitreibende Planke, während er verzweifelt versuchte, Fuchs auf dem Flaggschiff auszumachen. Aber der Rauch war zu dicht. Jacob hoffte, dass sie gesprungen war. Das große Schiff würde alles mit sich nehmen, wenn es sank. Er schrie ihren Namen, doch er konnte seine eigene Stimme kaum hören. Das Geschrei und Gestöhne war so laut, als rauschten die Wellen plötzlich mit menschlichen Kehlen. Eine Explosion zerriss eines der sinkenden Schiffe, und die TITANIA legte sich schon bedrohlich auf die Seite, doch Jacob suchte weiter zwischen den Trümmern und treibenden Leichen nach Fuchs.
Wo war sie?
Er zerrte jedem Toten den Kopf aus dem Wasser. Ihre bleichen Gesichter schwammen wie Wachsblüten zwischen den verkohlten Segeln und leeren Pulverfässern. Er spürte in dem kalten Wasser kaum noch die eigenen Glieder, und der Rauch machte jeden Atemzug zur Qual, aber er musste sie finden.
»Jacob.« Feuchte Arme schlangen sich um seinen Nacken. Eine kalte Wange presste sich an seine. Ihr rotes Haar war fast schwarz, so nass klebte es ihr am Gesicht, und er drückte sie an sich, bis er ihren Herzschlag durch die nassen Kleider spürte. Er wagte kaum, sie loszulassen, aus Furcht, die Wellen würden sie wieder fortwaschen.
»Hast du den Kopf?«
»Ja.«
»Wir müssen fort von hier!«
Fort wohin? Jacob sah sich um. Was würde Dunbar denken, wenn er am Morgen seine Zeitung aufschlug? Eisenschiffe, Flugzeuge, Bomben, die vom Himmel fielen … Würde er sich fragen, ob sie mitsamt dem Kopf untergegangen waren, und anfangen, die neue Magie ebenso zu fürchten wie die des Hexenschlächters?
»Die Küste kann nicht weit sein. Wir waren schon seit Stunden nach Südosten unterwegs.«
Was immer sie sagte. Die Flugzeuge waren verschwunden, aber sie würden sicher kein Rettungskommando schicken.
»Komm.« Fuchs zog ihn mit sich. Sie schien sehr sicher zu sein, wo die Küste lag.
Schwimm, Jacob.
Der Rauch folgte ihnen noch lange. Der Rauch. Die Trümmer. Die Hilferufe. Aber schließlich atmete um sie herum nur noch das Meer wie ein riesiges Tier, das die Opfer verdaute, die es gerade ertränkt hatte. Fuchs blickte sich besorgt zu ihm um. Sie war eine sehr gute Schwimmerin, aber Jacob waren die Arme so schwer, dass ihn jede Welle nach Luft ringen ließ. Schließlich schwamm Fuchs an seiner Seite, aber er wurde langsamer und langsamer. Halt dich nicht fest an ihr, Jacob! Er würde sie nur mit hinunterziehen. Seine Haut war taub von der Kälte, und er spürte, wie er bewusstlos wurde.
»Jacob!« Fuchs schlang die Arme um ihn und zog ihm den Kopf aus dem Wasser. »Du schaffst es nicht bis zur Küste! Lass dich sinken. Hörst du?«
Sinken lassen? Wovon redete sie? Er rang nach Atem, aber selbst die Luft schien aus Salzwasser gemacht.
»Es ist deine einzige Chance. Sie kommen nicht an die Oberfläche!«
Sie? Bevor er begriff, zog Fuchs ihn hinab. Das Wasser drang ihm in Mund und Nase. Er versuchte, sich zu wehren, aber Fuchs ließ nicht los. Sie zog ihn tiefer und tiefer, sosehr er sich auch sträubte. Jacob versuchte, sie fortzustoßen, er wollte atmen, nur atmen, doch plötzlich spürte er andere Hände. Warm und schmal wie die von Kindern. Sie schoben ihm eine ihrer
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