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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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nächste Häuserwand und presste die Stirn gegen den kalten Stein, während er verzweifelt nach Atem rang. Der Schmerz war so furchtbar, dass er fast auf die Knie gefallen wäre, um bei den Feen um Gnade zu betteln. Fast.
    Das Kind sah ihn erschrocken an. Es hob die Blumen auf, die er hatte fallen lassen, und hielt sie ihm hin. Jacob konnte kaum danach greifen.
    »Danke«, stammelte er mühsam.
    Er brachte irgendwie ein Lächeln zustande, während er dem Mädchen ein paar Kupfersou in die Hand drückte. Das Kind lächelte erleichtert zurück.
    Die Pension war nur ein paar Gassen entfernt, aber er schaffte es kaum zurück. Der Schmerz hielt an, bis er die Tür zu seinem Zimmer aufschloss. Er verriegelte sie hinter sich, bevor er das Hemd aufknöpfte. Die Motte trug einen zweiten Fleck auf den Flügeln, und der Name der Fee hatte nur noch vier Buchstaben.
    Fang an, zu zählen, Jacob.
    Er nahm etwas von Almas Pulver, aber seine Hände zitterten so sehr, dass er das meiste verschüttete.
    Verdammt, verdammt …
    Wo blieb Fuchs? Es konnte doch nicht so lange dauern, ein paar Pferde zu besorgen. Aber als es an seiner Tür klopfte, stand nur die jüngste Tochter der Wirtin davor.
    »Monsieur?« Sie hatte seine Weste geflickt. Sie strich fast ehrfürchtig über den Brokat, bevor sie sie ihm reichte. Die Weste war ein Geschenk der Kaiserin gewesen. Das Kleid des Mädchens hatten vor ihr sicher schon ihre älteren Schwestern getragen. Aschenputtel. Nur hier war die eigene Mutter die böse Stiefmutter. Jacob hatte gesehen, wie sie ihre jüngste Tochter herumkommandierte. Und er hatte den Gläsernen Schuh einer Kaiserin verkauft. Vielleicht hatte Dunbar doch recht. Jacob hatte seine zornige Stimme noch im Ohr. Ihr Schatzjäger macht den Zauber dieser Welt zu einer Ware, die sich nur noch die Mächtigen leisten können!
    Sie hatte ihre Sache gut gemacht. Jacob schob die Hand in das Goldtuch. Der Taler, den es hervorbrachte, war noch dünner als der letzte, aber das Mädchen starrte die goldene Münze so ungläubig an, als hätte er ihr tatsächlich einen Glasschuh gebracht. Ihre Hand war rau vom Nähen und Putzen, aber schmal wie die einer Fee, und sie blickte ihn so sehnsüchtig an, als wäre er der Prinz, auf den sie sicher schon seit Langem wartete. Warum nicht, Jacob? Etwas Liebe gegen den Tod. Noch lebst du schließlich. Aber er fragte sich bloß, wann Fuchs endlich zurückkommen würde.
    Als er ihr die Tür öffnete, blieb sie noch einmal stehen. »Ach ja. Ich habe das in Eurer Weste gefunden, Monsieur.«
    Earlkings Karte war immer noch blütenweiß. Bis auf die Wörter, die auf der Rückseite standen.
    V
ergiss die
H
and, Jacob.
    Das Mädchen war längst fort, als Jacob immer noch dastand und die Karte anstarrte. Er wärmte sie zwischen den Händen (nein, sie war kein Feenzauber), tränkte sie mit Flintenöl (der einfachste Weg, um Stilz- oder Leprachaunmagie zu enttarnen) und rieb sie mit Ruß ein, um Hexerei auszuschließen. Sie blieb makellos weiß und zeigte weiter nur die vier Wörter: Vergiss die Hand, Jacob. Was, verdammt noch mal, sollte das bedeuten? Dass der Goyl sie schon hatte?
    Jacob hatte hinter dem Spiegel schon viele Schreibzauber gesehen: Drohungen, die plötzlich auf der eigenen Haut standen, Zettel, die sich mit Verwünschungen füllten, wenn der Wind sie einem vor die Stiefel wehte, Prophezeiungen, die sich in die Rinde eines Baumes ritzten. Wichtel-, Stilz-, Leprachaunzauber … magischer Schabernack, der die Luft dieser Welt wie Pollen durchsetzte.
    Vergiss die Hand. Und dann?
    Fuchs kam zurück, als die Wirtin Jacob gerade den Weg nach Gargantua erklärte. In der Stadt gab es eine Bibliothek, die alles über die Könige Lothringens sammelte, und Jacob hoffte, dort einen Hinweis auf die Hand zu finden … oder die Nachricht, dass der Goyl schon dort gewesen war …
    Er beschloss, Fuchs nichts von dem zweiten Biss der Motte zu erzählen. Sie sah müde aus und war seltsam abwesend. Auf seine Frage gab sie vor, dass es wegen der Pferde war – sie waren tatsächlich nicht allzu gut, in St. Riquet war es leichter, ein paar gute Schafe zu kaufen. Aber Jacob spürte, dass ihr noch etwas anderes im Kopf herumging. Er kannte sie ebenso gut wie sie ihn.
    »Nun sag schon. Was ist los?«
    Sie wich seinem Blick aus.
    »Meine Mutter lebt nicht weit von hier. Ich frage mich, wie es ihr geht.«
    Das war nicht alles, aber Jacob drängte nicht weiter. Sie hatten immer die stille Übereinkunft gehabt, dass sie die

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