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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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Mutter. Die Pupillen von Guismunds Frau waren nicht die einer Hexe, aber das bedeutete nicht viel. Jede Hexe konnte sich das Aussehen einer Menschenfrau geben. Es gab Porträts von Feirefis und Gahrumet, die sie als Könige zeigten, aber Jacob streifte sie nur mit einem raschen Blick. Er ging auch an Orgeluses Porträt vorbei, das sie mit ihrem Mann zeigte. Das Bild, vor dem er stehen blieb, war das einzige in Saal 33, das kein Mitglied der kaiserlichen Dynastie zeigte. Es war Jacob schon vor Jahren aufgefallen, weil der Mann, der aus dem schweren Goldrahmen blickte, eine leichte Ähnlichkeit mit seinem Großvater hatte. Hendrick Goltzius Memling war der Hofmaler des Hexenschlächters gewesen, aber er war nicht nur berühmt für seine Kunst gewesen. Man hatte ihm auch eine leidenschaftliche Liebschaft mit Guismunds Tochter nachgesagt. Das Bild war ein Selbstporträt. Memling hatte es drei Jahre nach Guismunds Tod gemalt. Er hatte es selbst datiert. Um seinen Hals hing ein in Gold gefasster Stein. Memling berührte ihn mit den Fingern seiner rechten Hand. Sie war verkrüppelt, was ihn angeblich befähigt hatte, das Werkzeug eines Kupferstechers besser als jeder andere zu halten. Der Stein war schwarz wie ein Stück Kohle.
    Die goldenen und die schwarzen Herzen … Chanutes Stimme hatte fast andächtig geklungen, als er Jacob von ihnen erzählt hatte. ›Die aus Gold stammen von Alchemisten. Sie hatten irgendwann die dumme Idee, ihr Herz in Gold zu verwandeln, um sich unsterblich zu machen. Vielen wurde es deshalb bei lebendigem Leib aus der Brust geschnitten.‹ ›Und die schwarzen?‹, hatte Jacob gefragt. Wen interessierte mit dreizehn die Unsterblichkeit? ›Die schwarzen sind die von Hexern‹, hatte Chanute erwidert. ›Sie sehen schwarzen Juwelen zum Verwechseln ähnlich. Wer sie um den Hals trägt, bekommt angeblich alles, was er begehrt, doch wenn man sie allzu dicht über dem Herzen trägt, kommt einem nicht nur jede Freude, sondern auch das eigene Gewissen abhanden.‹
    Jacob trat näher an das Gemälde heran.
    Memling blickte mit kühlen Augen auf ihn herab. Es gab Gerüchte, dass er nicht nur seine Frau, sondern auch Orgeluse aus Eifersucht vergiftet hatte. Vielleicht war es Guismunds Tochter zum Verhängnis geworden, dass sie dem Mann, den sie liebte, das Herz ihres Vaters geschenkt hatte.

35
DER RICHTIGE KÖNIG
    D er Drachenbau lag unter dem Hof einer Brauerei. Niemand in Vena hatte von seiner Existenz gewusst, bis einer Goylpatrouille der unverkennbare Geruch von Schwefel und Echsenfeuer in die Nasen gezogen war.
    Kami’ens Leibwächter verbargen sich im Schatten des Brauereitores. Vielleicht hofften sie, dass man ihre Alabasterhaut nur für einen Schimmer von Mondlicht hielt. Sie hatten sich allzu sehr daran gewöhnt, wie leicht Menschenaugen sich täuschen ließen. Es war ein großer Spaß, sich an ihnen vorbeizustehlen, und Nerron brauchte etwas Aufmunterung nach dem Reinfall mit dem Apotheker.
    Dort, wo sich hinter den Bierkutschen der Atemtunnel des Drachen öffnete, standen zwei weitere Posten. Nerron war an ihnen vorbei, bevor sie auch nur den Kopf wendeten, und verschmolz mit der Dunkelheit des Tunnels. Der Drache, der ihn gegraben hatte, war seit mehr als hundert Jahren tot, aber sein Geruch umgab Nerron, als wartete er unten in seinem Bau auf ihn.
    Leise, Bastard. Wie die Schlange.
    Die Höhle, die sich am Ende des Tunnels öffnete, war schwarz vom Drachenfeuer. Nur an einigen Stellen schimmerte Gold durch den Ruß. Die Schatzhöhle. Besser erhalten als die meisten, die Nerron gesehen hatte.
    Er presste sich gegen den kühlen Fels.
    Und da stand er, mit einer Haut, die selbst in der Dunkelheit steinernes Feuer war. Der König der Goyl.
    Kami’en kehrte dem Tunnel den Rücken zu. Nur eine gut gezielte Kugel. Oder ein vergifteter Pfeil zwischen seine Schulterblätter … Wie viele Attentäter hatten die Onyx umsonst bezahlt, um genau hier zu stehen, wo er gerade stand, und es war so leicht gewesen. Ja, du bist der Beste, Nerron. Auch wenn du das verdammte Herz immer noch nicht gefunden hast .
    »Wie lange wird es dauern?« Kami’ens Stimme klang wie immer so gelassen, als gäbe es nichts auf der Welt, das man fürchten musste.
    »Der Architekt sagt zwei Monate, aber ich kann dafür sorgen, dass die Arbeiter früher fertig sind.« Natürlich. Hentzau stand neben dem König. Noch vor ein paar Jahren hätte er Nerron gerochen, aber all die Jahre über der Erde hatten Kami’ens ergebensten

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