- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond
bedeutete die Freiheit einer Nacht alles.
Kapitel 3
E s war noch so früh, dass die Heuwiesen im Morgenlicht matt rosa schimmerten und fast zu schön aussahen, um angetastet zu werden. Valerie und ihre Freundinnen beobachteten, wie die ersten Männer aus dem Dorf herumstanden und schwiegen. Die Männer kamen sich lächerlich vor, aber keiner wollte der Erste sein, der dem wogenden Gras mit der Sense zu Leibe rückte. Doch Arbeit war Arbeit und so machten sie sich schließlich an Werk.
Die Männer führten gerade die ersten Schnitte aus, als das Rumpeln von Rädern ertönte. In der Woche zuvor war im Dorf eine Hochzeit gefeiert worden, die bei Valeries Freundinnen einen tiefen Eindruck hinterlassen hatte. Und so fragten sie sich jetzt unwillkürlich, ob die Fracht des fremden Wagens wohl ihr Leben verändern würde. Doch die älteren Männer aus dem Dorf, die bereits schwer arbeiteten, kannten die traurige Wahrheit: Ganz gleich, wie nett die Jungs auch waren, den Erwartungen der Mädchen würden sie niemals gerecht werden können.
Der Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen. Das Pferd, das ihn zog, war so pechschwarz, dass es sich wie ein Scherenschnitt vor dem hellen Weizenfeld abzeichnete. Als die
Erntehelfer aus den anderen Dörfern auszusteigen begannen, erhoben sich die Mädchen von den Heuhaufen, auf denen sie saßen, und schüttelten ihre Röcke aus. Die jungen Männer waren stark und voller Elan, und Valerie freute sich für ihre Freundinnen, denen vor Aufregung ganz schwindelig wurde. Aber irgendwie wusste sie, dass für sie selbst keiner dabei war, nicht unter diesen Dorfjungen. Ihnen fehlte einfach … ein gewisses Etwas.
Die Männer kletterten heraus in die Sonne und beschatteten sich die Augen. Zusammengerollte Decken klemmten unter ihren Armen, Jacken hingen lose über ihren Schultern.
Die Jüngeren musterten die Mädchen. Sie kannten das Spiel genau. Ein ganz Forscher blieb vor Roxanne stehen, die vor Überraschung den Atem anhielt.
»Hallo«, sagte er und ließ bemüht seine Zähne aufblitzen. Er sah nicht, wie Prudence Roxanne in den Oberschenkel kniff.
»Hallo«, erwiderte Prudence für sie.
Lucie schlug schüchtern die Augen nieder, während Rose wie beiläufig ihre Brüste höher in ihre Schnürbluse schob. Prudences Augen flogen von einem Jungen zum nächsten, wogen ihre Schwächen (der eine war der Schlaksigste) gegen ihre Vorzüge (hatte aber auch die schönste Ledertasche) ab. Eine kluge Wahl schien von größter Wichtigkeit zu sein.
Kaum waren die Männer fort, liefen die Mädchen, nur knapp einem Zusammenstoß entgehend, zu einem dichten Knäuel zusammen.
»So viele!«, rief Roxanne und blies sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Gerade die richtige Zahl.« Prudence hatte die Guten herausgepickt und schnaufte jetzt erst mal durch.
»Einer für jede, und die übrigen sind für mich.« Rose tänzelte in ihrem Rock.
»Valerie, bist du sicher, dass du den Tee dabeihast?«, fragte Lucie dazwischen und dämpfte vorübergehend die Aufregung.
»Ja, natürlich!«
Lucie sah sie fest an, denn sie wusste, wie vergesslich ihre Schwester war.
»Ja doch, ich bin mir ganz sicher«, sagte Valerie und klopfte an ihr Bündel.
Dann meldeten sie weiter ihre Ansprüche an, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Jungen dabei vielleicht ein Wörtchen mitreden wollten. Prudence war der Meinung, dass ihr der Erntearbeiter zustand, der vor Roxanne hingetreten war, weil sie als Einzige mit ihm gesprochen hatte. Valerie fand das etwas dreist, aber Roxanne erhob keinen Einwand, da sie ein Auge auf einen anderen Jungen geworfen hatte, der stiller und nicht so draufgängerisch war.
Lucie deutete auf einen Erntehelfer, der gerade vorbeiging und in seinen Kniehosen eine gute Figur machte.
»Da geht dein Zukünftiger, Rose!«
»Wenigstens schwärme ich nicht für einen Schafscherer, der mein Großvater sein könnte.« Ihr kantiges Gesicht ließ Rose ärgerlich aussehen, aber das war sie nicht.
Roxanne sah sich genötigt, den einen zu erwähnen, der fehlte. »Ist doch egal!«, sagte sie und glättete eine Locke ihres roten Haars. »Henry sieht besser aus als die alle.«
»Du weißt doch, dass er niemals eine aus dem Dorf heiraten wird«, blaffte Prudence, wie es manchmal ihre Art war. » Wir sind alle zu arm.«
Die Mädchen sahen, dass der Vogt, Dorfvorsteher und Ernteaufseher in einer Person, nahte, und so stapften sie auf die Wiesen und begannen, das gemähte Gras zum
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