Red Shark: Thriller (German Edition)
bekleidet und ohne seine charakteristische schwarze Hornbrille sah Kim einfach nur erschöpft aus. Er hatte abgenommen, und sein früher dickliches Gesicht war eingefallen. Sein Overall hing an seinem Körper wie ein Sack. Seine nackten Füße waren von der Kälte tiefrot, was seine Ballenzehen noch mehr betonte. Kim saß völlig regungslos auf der Kante seiner Liege, die an in die Steinmauer seiner Zelle eingedübelten Ketten hing.
»Er verweigert die Nahrung, Großer Führer«, sagte der Kommandant und neigte seinen Kopf leicht vor Jin.
Es wäre Jin völlig gleich, wenn Kim sich zu Tode hungern würde. Das würde die Zeit und Mühe sparen, Kim langsam in einem Fass voll kochender Salzwasserlauge mit Lysol hinzurichten. Oder ihn bei lebendigem Leib in einen Hochofen zu werfen. Eine Kugel in den Kopf war zu schnell.
Jin musterte Kims aschgraues Gesicht. Kim, der Verräter; Kim, der Säufer; Kim, der Weiberheld. Die schwedischen Prostituierten, die er so gerne mochte, sollten ihn jetzt einmal sehen und riechen. Sie würden es sich sicher zweimal überlegen, bevor sie sich zu zweit oder zu dritt von seinem ungewaschenen Körper in seine Satin-Bettwäsche drücken lassen würden, und ebenso würden sie vor der Vorstellung zurückschrecken, ihm französischen Wein vom Körper zu lecken, während er sich vor Wonne wand und noch eine weitere Flasche aufmachen ließ.
Jin stand auf. »Ich gehe jetzt zu ihm.«
Die Zellentür vibrierte leicht und schwang auf. Kim sah auf, und seine stumpfen Augen blitzten, als er sah, wer ihn besuchte.
»Ich habe nichts zu sagen«, krächzte er. Seine Kehle war mit Schleim verstopft, und seine teigigen Lippen bewegten sich kaum. Er wärmte sich die Hände unter den Achselhöhlen.
Die Zelle war noch verdreckter, als Jin angenommen hatte. Kim lehnte nämlich nicht nur jede Nahrungsaufnahme ab, er weigerte sich auch, den bereitgestellten Eimer zu benutzen und hatte sich stattdessen auf den Boden der Zelle entleert. Jin erbrach sich beinahe aufgrund des Gestanks, der ihm wie ein Messerstich in die Nase stach. Der Kommandant zuckte nur hilflos die Achseln, als wollte er Jin sagen, dass er nichts gegen Kims schlechtes Benehmen tun konnte, das seine einzige Rachemöglichkeit dafür darstellte, dass er das Gesicht verloren hatte. Soll er doch seine eigene Scheiße riechen , dachte Jin.
Er machte dem Kommandanten mit einer kurzen Handbewegung klar, dass er ungestört sein wollte. Dieser trat daraufhin in den Gang hinaus, ließ die Zellentür aber leicht angelehnt.
Jin hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und blickte auf die zusammengekauerte Gestalt des Mannes herab, der fast fünfundzwanzig Jahre lang über Nordkorea geherrscht und während dieser Zeit eine Woge von Brutalität ausgelöst hatte, die manchmal sogar Jin angewidert hatte, obwohl er selbst ein Meister im Einsatz von Terror und Schmerzen zur Kontrolle seiner Feinde war.
»Verschwinde.« Kim zog Schleim hoch und spuckte Jin zwischen die polierten Stiefelspitzen. »Ich habe nichts zu sagen.«
»Und du könntest auch nichts sagen, was ich hören wollte«, erwiderte Jin. »Ich will aber, dass du mir zuhörst. Ein Urteil ist vom Ministerrat der Volkrepublik verhängt worden. Man hat dich des Hochverrats angeklagt, für schuldig befunden und zum Tod verurteilt.«
Kim sah starr auf den grauen Schleim zwischen Jins Stiefeln und sagte kein Wort.
»Der Oberste Volksgerichtshof hat mich mit der Vollstreckung dieses Urteils beauftragt. Ich kann über den Zeitpunkt und vor allem die Methode deiner Hinrichtung frei entscheiden.«
»Dann töte mich jetzt gleich.«
»Ich bin noch nicht fertig.« Jin wartete, bis er Kims ganz Aufmerksamkeit hatte. »Dein Onkel, deine Schwester und ihr Mann sowie deine beiden Söhne sind verhaftet worden. Auch sie werden für deine Verbrechen bezahlen. Ich werde den Staat von allen Verrätern befreien, die Schande über deinen Vater, den göttlichen Führer Kim il Sung gebracht haben.«
Kim blickte auf. »Soll das ein Versuch sein, mir Angst zu machen?«
»Dir Angst zu machen? Nein. Das sind nur die Tatsachen.«
»Wie gesagt, töte mich jetzt gleich.«
Jin beugte sich aus der Hüfte vor, um sicherzustellen, dass Kim seine Worte genau verstand. »Nein, nicht jetzt gleich, aber sehr bald. Nachdem du zugesehen hast, wie deine Verwandten einer nach dem anderen gestorben sind.«
»Du bist hergekommen, um mir das zu sagen?«
»Nein. Ich bin hergekommen, um dir zu sagen, dass dein japanischer
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