Red Shark: Thriller (German Edition)
hatte Jins Adjutant alles auf Wanzen überprüft und verkündet, dass keine vorhanden waren.
Jin nahm auf der Veranda Platz und steckte sich eine Zigarette an. Tokugawa stand wortlos und nachdenklich da, nippte an seinem Brandy und lauschte der Brandung, die dreißig Meter unter ihm an die schroffen Felsen donnerte. Schließlich drehte er sich zu Jin um, der während des Essens bemerkenswert ruhig geblieben war, wenn man das Gesprächsthema bedachte. Tokugawa hatte dem Marschall zugehört und dabei das Gefühl gehabt, spüren zu können, wie der Boden unter seinen Füßen schwankte: Er würde zusammen mit Jin den Verlauf der Geschichte ändern.
Der Unterschied zwischen Jin und Kim Jong-il hätte größer nicht sein können, hatte Tokugawa verblüfft gedacht. Jin, vom Großen Führer lange unterdrückt, da der dessen geheime Macht mit gutem Grund gefürchtet hatte, hatte sich nicht nur als energischer und tatkräftiger, sondern außerdem als weit hinterhältiger erwiesen, als Kim das je gewesen war. Tokugawa hatte hocherfreut festgestellt, dass Jin ihm sehr ähnlich war.
»Mein lieber Freund«, sagte Jin in perfektem Japanisch, »ich möchte betonen, dass Kim Jong-il praktisch nicht mehr existiert. Der Volksgerichtshof Koreas hat ihn wegen Hochverrat verurteilt und seine Hinrichtung angeordnet. Selbst wenn Kim dem Druck der Amerikaner nicht nachgegeben und der Entwaffnung zugestimmt hätte, hätte ich ihn abgesetzt. Er ist mitsamt seinem Vater Kim il Sung und allem, wofür sie je gestanden haben, vom Schauplatz der Weltgeschichte verschwunden. Wir leben in einer neuen Ära.« Er hob eine Hand und schlug sie scharf durch die Luft, als wollte er damit die Endgültigkeit dieser Entwicklung anzeigen.
»Wenn die Operation abgeschlossen ist, werden die Vereinigten Staaten von ihren Verbündeten alles an Hilfe brauchen, was sie bekommen können. Die europäischen Staaten werden ihre Bedürfnisse nur zu einem kleinen Teil abdecken können. Natürlich wird Japan den größten Teil sowohl der finanziellen Unterstützung als auch der sachkundigen persönlichen Hilfe auf dem zivilen und medizinischen Sektor stellen. Was die amerikanische Wirtschaft betrifft, so wird sie dann nur mehr eine leere Hülle sein. Es könnte sogar so weit kommen, dass sie sich nie mehr erholt. So, wie ich es sehe, werden die Vereinigten Staaten in kleinere, selbstständige staatliche Einheiten zerfallen, die untereinander erbittert um die spärlichen Ressourcen kämpfen werden. Sollte es dazu kommen, wird Japan in der Lage sein, jeder dieser Einheiten die eigenen gewünschten Bedingungen zu diktieren, statt weiter mit einer dann stark geschwächten Zentralregierung in Washington zu verhandeln. So oder so wird Japan die Welt beherrschen. Als Ergebnis davon wird die Bedeutung Europas schwinden, ebenso wie die der Volkswirtschaften Kanadas und Südamerikas, die bisher ihre Zukunft an die der Vereinigten Staaten gebunden haben. Und mit dem Zusammenbruch Südkoreas, eines weiteren Vasallenstaats Amerikas, wird Nordkorea die Kontrolle über die Halbinsel übernehmen – mit der Hilfe Japans natürlich.«
Tokugawas Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregungen, als er antwortete. »Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir die Feindschaft, die seit Jahrhunderten zwischen unseren beiden Ländern existiert, endlich überwinden. Wie wollen Sie das schaffen?«
»Unter meiner Führung wird Nordkorea Japan seine Türen öffnen. Der Westen ist überzeugt davon, dass wir uns niemals modernisieren werden. Sie halten uns für eine isolierte Feudalgesellschaft, die sich allein mit sich selbst beschäftigt. Sie glauben, wir hätten keine modernen Naturwissenschaften, keine Technologie oder Medizin. Aber wir werden sie eines Besseren belehren. Wenn die Vereinigten Staaten uns 1950 nicht angegriffen und gezwungen hätten, ganz Korea gegen ihre Aggression zu verteidigen, hätte von uns eine der größten gesellschaftlichen Veränderungen in der Geschichte Ostasiens ausgehen können.«
»Aber das ist Geschichte«, erinnerte ihn Tokugawa. »Jetzt steht vor uns die Zukunft.«
»Ich versichere Ihnen, lieber Freund, dass Nordkorea dem japanischen Volk gegenüber trotz aller Missverständnisse der Vergangenheit keinen Groll hegt. Wenn die Amerikaner ausgeschaltet sind und Pjöngjang seine Tore nach Japan geöffnet hat, wird der Norden aufblühen, und unsere beiden Länder werden davon profitieren. Ebenso wichtig aber ist, dass Sie dann Ihre Familie gerächt haben
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