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aufmachen. Für so etwas ist das Leben zu kurz.«
Eleanor mustert ihre Schwester mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Ist alles in Ordnung mit dir, Sam?«
»Es geht mir gut, Eleanor«, sagt Samantha.
»Weil das, was du gerade gesagt hast, genau die Dialog zeile ist, die in einem Melodram gesprochen wird, wenn sie erfahren hat, dass sie Brustkrebs hat«, sagt Eleanor.
Samantha muss darüber lachen. »Ich habe keinen Brustkrebs, Eleanor«, sagt sie. »Wirklich nicht.«
Eleanor lächelt. »Dann sag mir, was los ist, Schwester.«
»Das ist schwer zu erklären«, sagt Samantha.
»Unser Kellner lässt sich jede Menge Zeit«, sagt Eleanor. »Leg einfach los.«
»Jemand hat mir ein Päckchen geschickt«, sagt Samantha. »Mit Fotos und Videos und Liebesbriefen von einem Ehepaar. Ich habe mir alles genau angesehen.«
»Ist so etwas legal?«, fragt Eleanor.
»Ich glaube, deswegen muss ich mir keine Sorgen machen«, sagt Samantha.
»Warum schickt dir jemand solche Sachen?«, fragt Eleanor.
»Weil jemand dachte, sie könnten mir etwas bedeuten«, sagt Samantha.
»Sind es die Liebesbriefe irgendeines beliebigen Ehepaars?«, fragt Eleanor.
»Nein«, sagt Samantha vorsichtig. »Es ergibt durchaus Sinn, mir diese Sachen zu schicken. Nur dass es ziemlich viel ist.«
»Ich habe das Gefühl, dass du ziemlich viele Details auslässt«, sagt Eleanor.
»Ich habe gesagt, dass es schwer zu erklären ist.«
»Und wie ist es so, die Briefe eines anderen Ehepaars zu lesen?«, fragt Eleanor.
»Traurig«, sagt Samantha. »Sie waren glücklich, und dann haben sie ihr Glück verloren.«
»Dann ist es gut, dass sie wenigstens zu Anfang glücklich waren«, sagt Eleanor.
»Eleanor, fragst du dich manchmal, wie dein Leben ganz anders hätte verlaufen können?«, sagt Samantha unvermittelt. »Überlegst du manchmal, wenn bestimmte Dinge ein wenig anders gekommen wären, dass du dann vielleicht einen ganz anderen Job hättest, einen anderen Ehemann oder andere Kinder? Glaubst du, dass du dann glücklicher wärst? Und wenn du dieses andere Leben sehen könntest – wie würde es sich für dich anfühlen?«
»Das ist eine Menge Philosophie auf einmal«, sagt Eleanor, während der Kellner endlich kommt und den Schwestern den bestellten Salat serviert. »Solche Fragen stelle ich mir eigentlich nie, Sam. Ich mag mein Leben. Ich habe einen guten Job, Braden ist ein guter Junge, und an den meisten Tagen habe ich nicht das Bedürfnis, Lou zu erwürgen. Von Zeit zu Zeit mache ich mir Sorgen um meine kleine Schwester, aber sonst habe ich keine größeren Probleme.«
»Du hast Lou in Pomona kennengelernt«, sagt Samantha. »Aber ich erinnere mich, dass du eine Münze geworfen hast, als die Entscheidung anstand, auf welches College du gehen willst. Wenn die Münze Kopf statt Zahl gezeigt hätte, hättest du an der Wesleyan studiert. Du wärst Lou niemals begegnet. Du hättest ihn nicht geheiratet und nie einen Sohn namens Braden gehabt. Ein Münzwurf, und alles in deinem Leben wäre völlig anders abgelaufen.«
»Wahrscheinlich«, sagte Eleanor, während sie ein paar Salatblätter mit der Gabel aufspießt.
»Vielleicht gibt es irgendwo da draußen eine andere Version von dir«, sagt Samantha. »Und bei ihr landete die Münze auf der anderen Seite. Sie führt jetzt ein ganz anderes Leben. Was wäre, wenn du dieses andere Leben sehen könntest? Wie würdest du dich dann fühlen?«
Eleanor schluckt das Grünzeug und zeigt mit der Gabel auf ihre Schwester. »Bei diesem Münzwurf«, sagt sie, »habe ich geschummelt. Es war Mutter, die wollte, dass ich an die Wesleyan gehe, nicht ich. Sie war begeistert von der Vorstellung, dass dort zwei Generationen unserer Familie studieren. Ich wollte immer nach Pomona, aber Mutter flehte mich an, die Wesleyan in Betracht zu ziehen. Schließlich sagte ich, dass ich es mit einem Münzwurf entscheiden werde. Es spielte überhaupt keine Rolle, wie die Münze landen würde, ich wäre trotzdem nach Pomona gegangen. Mit dieser Show wollte ich sie nur glücklich machen.«
»Es gibt andere Momente, in denen sich dein Leben hätte ändern können«, sagt Samantha. »Die zu einem anderen Lebenslauf geführt hätten.«
»Aber das ist nicht geschehen«, sagt Eleanor. »Ich lebe das Leben, das ich lebe, und es ist das einzige Leben, das ich habe. Da draußen im Universum gibt es keine anderen Frauen, die meine alternativen Leben führen, und selbst wenn es sie gäbe, würde ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen,
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