Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei

Dächsin reichte Ambrosius Stachel ein Bündel Pfeile zum Verteilen, während sie antwortete: »Ja, das stimmt wirklich, ehrwürdiger Abt. Aber sie sieht besorgt aus. Glaubt Ihr, es ist wegen Matthias?«
    »Zweifellos«, sagte der Abt gelassen. »Der junge Mäuserich geht mir genauso wenig aus dem Kopf wie ihr oder dir.«
    Konstanze schüttelte ihren großen gestreiften Kopf: »Es sieht Matthias gar nicht ähnlich, davonzulaufen. Ich habe in jeder freien Minute nach ihm gesucht, aber in der Abtei ist er nirgends.«
    »Nun, wo immer er auch sein mag«, antwortete der Abt, »ich bin sicher, dass er unserer Sache dient, also werden wir einfach seine Rückkehr abwarten und auf sein Urteil und seinen Verstand vertrauen.«
    Dankbar nahmen die beiden Freunde von Kornblume und ihren Helfern das Essen entgegen und beobachteten dann verwundert, wie die Otterdame Winifred zusammen mit dem Vormaulwurf eine Wippe nach oben hievte.
    Es war ein Spielgerät, das vor langer, langer Zeit einmal für die Kinder der Waldbewohner gebaut worden war. Solange man zurückdenken konnte, hatte es neben dem Erdbeerbeet gestanden. Die Tierkinder hatten das ganze Jahr hindurch darauf gespielt. Die Wippe funktionierte noch ganz ausgezeichnet.
    Winifred und der Vormaulwurf setzten sie auf der Brustwehr ab. Tief vornübergebeugt stolperten zwei Maulwürfe hinauf, die zwischen sich einen riesigen Felsbrocken trugen. Der Vormaulwurf zeigte zum entgegengesetzten Ende der Wippe: »Hajaj, tut ihn nur grad da hinlegen. Es tut ein sakrisch schöner Felsbrocken sein, meine Maulwurfer, bohörr.«
    Als der »sakrisch schöne Felsbrocken« in Position lag, umfassten Winifred und der Vormaulwurf einander eng. Auf ein Kopfnicken hin sprangen sie mit aller Kraft auf das freie Wippenende.
    Zischsch!
    Der Felsbrocken wurde über die Brustwehr hinweggeschleudert. Sekundenlang hörte man nichts, dann ein lautes Krachen, gefolgt von den Schmerz- und Schreckensschreien der Ratten, die dicht gedrängt im Graben saßen. Winifred und der Vormaulwurf schüttelten einander feierlich die Pfoten.
    »Johoj, ich tät sagen, die verflixte Landplage tut Kopfschmerzen haben«, kicherte der Vormaulwurf, während auf der Brustwehr jedermann vor den Vergeltungsgeschossen von Clunys Horde in Deckung ging.
    Der Kampf war wieder entflammt und es ging hart auf hart.
    Die Mäusebogenschützen sprangen auf und ließen ihre Pfeile in den Graben sausen; die Otter an den Wurfschleudern ließen ihre harten Steine heftig und schnell um die Ohren des Feindes peitschen; die langen Speere der Ratten flogen hinauf und führten in den Reihen der Verteidiger zu Verlusten und vielen Verletzten. Jetzt sahen sie sich wieder einer neuen Gefahr ausgesetzt. Irgendeine einfallsreiche Ratte hatte eine furchtbare Waffe erfunden: Eisenstücke aus dem Friedhofszaun wurden an lange Seile gebunden. Die Ratten schleuderten die Seile immer wieder herum, bis sie eine enorme Wucht hatten, dann peilten sie die Richtung und ließen das Seil los. Die Wurfgeschosse sausten nach oben und erreichten die vielfache Höhe der Abteimauer, sodass sie fast ganz außer Sichtweite waren; dann stürzten sie mit bösartigem Pfeifen herab und schlugen in die Brustwehr ein. Wurde ein Verteidiger von solch einem Wurfgeschoss getroffen, dann war er entweder sofort tot oder grauenhaft verstümmelt. Selbst wenn das Eisenstück sein Ziel verfehlte, so richteten doch die zerschmetterten Steine und Metallsplitter, die durch den Aufprall durch die Gegend sausten, immer noch großen Schaden an.
    Konstanze erkannte die Gefahr dieser neuen Waffe und befahl allen bis auf einigen wenigen, die Mauer zu verlassen und auf dem Abteigelände Schutz zu suchen. Wie sich schon bald herausstellte, waren die Seileisen eine zweischneidige Waffe. Manches schlecht Geworfene kam in den Graben zurückgesaust und erschlug den, der es geschleudert hatte.
    Selbst Gierschlund in Clunys Rüstung, der auf der Wiese die Standarte bewachte, musste einmal wenig würdevoll das Weite suchen, um nicht getroffen zu werden, aber er erkannte den entmutigenden Effekt der Geschosse auf der Seite der Verteidiger und so befahl er den Werfern weiterzumachen.
    Konstanze hielt mutig die Stellung auf der Brustwehr, genauso wie die kleine Schar ausgewählter Kämpfer. Immer wenn eines der Wurfgeschosse unbeschädigt auf einem Geröllhaufen landete, schnappte sie es sich und reckte sich zu ihrer vollen Größe auf. Dann ließ sie es immer wieder herumwirbeln und pfeilschnell