Redwall 02 - Mossflower - In den Fängen der Wildkatze
hatten Proviant dabei und jeder trug die von ihm ausgewählten Waffen. Zufrieden schürzte die Wildkatzenkönigin ihre Lippen. Im Moment bestand gar keine Veranlassung dazu, die beiden Gefangenen noch weiteren Verhören zu unterziehen; sollten sie doch in ihren Zellen hocken, bis sie so richtig ausgehungert waren. Wer ein paar Tage nichts zu beißen bekommen hatte, ließ sich in der Regel wesentlich leichter befragen. Zwei kleine Igel, die es wagten, sich auf ein geistiges Kräftemessen mit der Königin der Tausend Augen einzulassen – was hatten die denn schon für eine Chance?
Kratzer war ein recht aufmerksamer Wieselsoldat. Er stieß mit seinem Dolch in Richtung Himmel.
»Siehst du das Rotkehlchen, Kladd?«
Kladd war nicht entgangen, dass Kratzer ihn geduzt und nicht mit Hauptmann angesprochen hatte. Er blickte auf, aber Tschipp war schon aus dem Blickfeld verschwunden.
»Was für ein Rotkehlchen? Wo?«
Kratzer steckte den Dolch zurück in die Scheide. »Jetzt ist es wieder weg. Ich habe schon ein paar Mal in der Nähe der Baracken ein Rotkehlchen herumlungern sehen. Ich könnte schwören, dass es derselbe Vogel war. Er landet immer irgendwo am Boden und versteckt sich.«
Kladd wollte nicht wahrhaben, dass Kratzer ein aufmerksamerer Beobachter war als er.
»Hmm, könnte was dran sein, vielleicht aber auch nicht. Waldbewohner geben sich für gewöhnlich nicht mit Vögeln ab. Wir sollten trotzdem lieber auf Nummer sicher gehen. He, Dickschwanz, geh zurück nach Kotir und berichte der Hoheit von dem Rotkehlchen. Zu den anderen sagst du aber kein Wort, ich will nicht, dass Aschenbein oder die Füchsin sich mit meinen Federn schmücken.«
Dickschwanz salutierte und trabte in Richtung Kotir davon.
Kratzer spähte in das dicht bewachsene Waldgebiet, in dem sie sich befanden. »Vielleicht sollten wir hier eine Weile in Deckung gehen. Dann könnten wir eine Ruhepause einlegen und gleichzeitig Augen und Ohren offen halten, was, Kladd?«
Kladd wusste, dass es ein vernünftiger Vorschlag war, aber Kratzer begann ihm mit seiner Schläue auf die Nerven zu gehen.
»Ja, das Gleiche habe ich auch gerade gedacht. Also, Jungs, sucht euch ein gutes Versteck und haltet Augen und Ohren offen. Wenn ich irgendeinen von euch bei einem Nickerchen erwische, dann mache ich Schnürsenkel aus seinem Schwanz. Das gilt ganz besonders für dich, Kratzer.«
Während das Sonderkommando sich auflöste und die einzelnen Soldaten zwischen den Bäumen verschwanden, streckte Kratzer Kladd hinter dessen Rücken die Zunge heraus und murmelte leise vor sich hin: »Kladd, der Klotz, dumm wie Rotz.«
Dickschwanz war gar nicht wohl dabei, so allein in Mossflower zu sein, auch wenn es helllichter Tag war. Das Hermelin huschte zwischen den Bäumen hindurch und ließ verstohlen seinen Blick schweifen. Während er weiterlief, wiederholte er immer wieder mit lauter Stimme Kladds Anordnungen: »Sag der Königin, dass sich ein Rotkehlchen in Kotir herumtreibt. Es fliegt tief am Boden und verschwindet dann ganz plötzlich. Kladd meint, dass es vielleicht irgendetwas mit den Waldbewohnern zu tun haben könnte. Fortunata oder Aschenbein darf ich nichts davon erzählen. Wenn sie mich fragen, sage ich einfach, dass ich zurückkommen musste, weil ich mir die Pfote gezerrt habe. Ich sollte lieber schon jetzt mit dem Hinken anfangen, man weiß ja nie.«
Von Kotir aus flog Argulor in einem weiten Bogen über den Wald; auf diese Weise würde man in Kotir fälschlicherweise annehmen, er sei weggeflogen. Er hatte seine Wende vollzogen und war gerade auf dem Rückweg, als er unter sich eine Stimme vernahm und sah, wie ein Hermelin durch das Unterholz hinkte.
»Ich soll der Königin sagen, dass ein Rotkehlchen gesehen hat, wie Kladd im Wald herumging. Nein, das ist nicht richtig. Ich soll dem Rotkehlchen sagen, dass Kladd die Königin aufgehängt hat …«
Gutes Augenlicht war nicht erforderlich, um diese plappernde Mahlzeit zu finden. Wie ein Stein stürzte Argulor sich in den unter ihm liegenden Wald.
Ein Stein mit Klauen und einem gebogenen Schnabel.
Bellas Arbeitszimmer war immer noch mit alten Schriftstücken überfüllt. Sie rutschten vom Tisch, dessen Geheimfach unverändert schief heraushing. Verschiedene Tabletts mit Essen waren hier und dort mitten im staubigen Durcheinander abgestellt worden. Die Schriftrolle und die vier Blätter, die die Freunde auf den richtigen Weg gebracht hatten, lagen auf der Lehne des großen Stuhles, in dessen
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