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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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standen da Kaffeetassen und ein Aschenbecher, auf dessen Rand eine halbgerauchte Zigarette balancierte. Alles deutete auf ein längeres Treffen hin.
    Die beiden Männer waren in eine Affäre verwickelt gewesen, die die Welt des Pferderennsports vor achtzehn Monaten wie ein Donnerschlag erschüttert hatte.
    Elgin Yaxley, der Mann links auf dem Foto, war der Besitzer von fünf teuren Hindernispferden gewesen, die in Lambourn trainiert worden waren. Am Ende der Rennsaison waren alle fünf zu einem Farmer in der Nähe gebracht worden, wo sie in der Sommerpause ein paar Wochen auf die Weide sollten. Und dann waren sie allesamt auf freiem Feld mit einem Gewehr erschossen worden. Terence O’Tree, der Mann rechts auf dem Foto, hatte sie erschossen.
    Die Polizei hatte saubere Arbeit geleistet (unterstützt von zwei kleinen Jungen, die in der Dämmerung unterwegs waren, während ihre Eltern sie im Bett wähnten), O’Tree aufgespürt und vor Gericht gebracht.
    Alle fünf Pferde waren hoch versichert gewesen. Die Versicherungsgesellschaft hatte mißtrauisch aufheulend alles Menschenmögliche versucht, um zu beweisen, daß Yaxley selbst O’Tree für die Erschießung angeheuert hatte, aber beide Männer hatten das hartnäckig abgestritten, und man hatte keine Verbindung zwischen ihnen herstellen können.
    O’Tree behauptete, er hätte die Pferde einfach erschossen, weil er dazu Lust hatte, »… bißchen Zielschießen üben, Euer Ehren, wie sollt ich wissen, daß das wertvolle Rennpferde sind …«, und bekam neun Monate und die Empfehlung, einen Psychiater aufzusuchen.
    Elgin Yaxley, der entrüstet seine Unschuld beteuerte und der Versicherungsgesellschaft drohte, sie wegen Verleumdung zu verklagen, wenn sie nicht umgehend zahlte, hatte die volle Versicherungssumme aus ihr herausgequetscht und war dann von der Rennszene verschwunden. Die Versicherungsgesellschaft hätte George Millace für sein Foto sicher eine ordentliche Summe bezahlt, wenn sie gewußt hätte, daß es existierte. Wahrscheinlich zehn Prozent von dem, was sie Yaxley nicht hätte zahlen müssen. Ich hatte die genauen Zahlen nicht mehr im Kopf, aber ich wußte, daß der gesamte Versicherungswert der Pferde an die hundertfünfzigtausend betragen hatte. Und gerade die Höhe der Prämie hatte die Versicherung einen Betrug wittern lassen. Warum also hatte George keinen Anspruch auf eine Belohnung erhoben … und warum hatte er das Negativ sorgsam versteckt … und warum hatte man dreimal in seinem Haus eingebrochen? Ich hatte George Millace nie besonders gemocht, aber die naheliegende Antwort auf diese Frage bewirkte, daß ich ihn jetzt noch viel weniger leiden konnte.
     
    Am nächsten Tag ging ich zu den Ställen und ritt wie üblich zur Morgenarbeit aus. Harold legte sein normales stürmisches Verhalten an den Tag und übertönte mit lauter Stimme den pfeifenden Novemberwind. Die Stallburschen sahen finster drein und schmollten, wenn der verbale Peitschenschlag sie traf, und ich dachte im stillen, daß es am Wochenende ein oder zwei weniger sein würden. Wenn heutzutage Burschen den Stall wechselten, blieben sie einfach eines Morgens weg und erschienen nie wieder. Sie verdrückten sich einfach zu einem anderen Stall, und ihre alten Arbeitgeber hörten erst wieder von ihnen, wenn die neuen Referenzen haben wollten. Für die meisten der neuen Stallburschengeneration war Kündigung ein Fremdwort. Kündigung gab nur Stunk und Streit, und wer wollte das schon, Mann, wenn man sich problemlos abseilen konnte? Die Stallburschen strömten in den britischen Reitställen ein und aus wie ein nimmer endender rauschender Strom, und wenn einer länger blieb, war das eher die Ausnahme als die Regel.
    »Frühstück«, bellte mir Harold irgendwann zu. »Bei uns!«
    Ich nickte. Normalerweise ging ich zum Frühstück nach Hause, selbst wenn ich auch die zweite Trainingsrunde ritt, was ich nur an Tagen ohne Rennen tat und auch dann nicht immer. Unter Frühstück verstand Harolds Frau Pfannen voller Gebratenem, dazu Berge von Toast, mit Großzügigkeit und Wärme an dem großen Küchentisch serviert. Es duftete und mundete stets köstlich, und ich konnte nie widerstehen.
    »Noch eine Bratwurst, Philip?« sagte Harolds Frau und tat mir direkt aus der Pfanne üppig auf. »Und ein paar heiße Bratkartoffeln?«
    »Du ruinierst ihn, Frau«, sagte Harold, während er nach der Butter griff.
    Harolds Frau schenkte mir ihr ganz spezielles Lächeln. Sie war der Meinung, daß ich zu dünn war

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