Reflex
Ich kaufte ein paar Kleinigkeiten ein, holte zu gegebener Zeit meine entwickelten Filme ab und fuhr nach Hause.
Am Nachmittag machte ich die Farbabzüge von Mrs. Millace und schickte sie zusammen mit den Schwarzweißfotos an die Polizei, und am Abend kämpfte ich – vergebens – gegen meine Gedanken an, die ständig um Amanda und Victor Briggs und George Millace kreisten.
Bei weitem das Schlimmste war das Ultimatum von Victor Briggs und Harold. Das Jockey-Leben sagte mir in jeder Hinsicht zu, körperlich, geistig, finanziell. Ich hatte den Gedanken, daß ich mir eines schönen Tages etwas anderes suchen mußte, jahrelang verdrängt. Dieser bewußte Tag hatte immer im Nebel der Zukunft gelegen und mir nie brutal ins Gesicht gestarrt.
Von Pferden abgesehen, verstand ich nur noch etwas vom Fotografieren. Aber es wimmelte überall nur so von Fotografen … jeder machte Fotos, jede Familie hatte eine Kamera, die ganze westliche Welt war von Fotografen überschwemmt … und wenn man davon leben wollte, mußte man außergewöhnlich gut sein.
Außerdem war es eine extrem harte Arbeit. Die Fotografen, die ich von der Rennbahn kannte, rannten ständig durch die Gegend, hasteten vom Start zum letzten Hindernis und von dort zum Absattelplatz, bevor die Sieger dort ankamen, und dann zur Bahn zurück zum nächsten Rennen, das ganze mindestens sechsmal pro Nachmittag, fünf oder sechs Tage pro Woche. Ein paar von ihren Fotos schickten sie umgehend an Nachrichtenagenturen, die sie dann vielleicht Zeitungen anboten, ein paar sandten sie an Zeitschriften, und ein paar verscherbelten sie an die Besitzer der Pferde und ein paar an Sponsoren, die Pokale überreichten.
Wenn man ein Rennbahnfotograf war, flogen einem die Bilder nicht zu, man mußte sie suchen. Und wenn man sie hatte, standen die Abnehmer nicht scharenweise vor der Tür, man mußte losziehen und sie verkaufen. Bei Duncan und Charlie hatte das ganz anders ausgesehen, da sie hauptsächlich Stilleben wie Töpfe und Pfannen und Uhren und Gartenmöbel für die Werbung fotografiert hatten.
Es gab nur sehr wenige erfolgreiche Full-time-Fotografen, die auf Pferderennen spezialisiert waren. Sicher weniger als zehn. Davon waren vielleicht vier herausragend. Und einer von den vieren war George Millace gewesen.
Wenn ich in ihre Reihen eintreten wollte, würden die andern mich nicht daran hindern, aber helfen würden sie mir auch nicht. Ich wäre ganz auf mich allein gestellt, auf Gedeih und Verderb.
Die Lauferei würde mir nichts ausmachen, dachte ich: es war das Verkaufenmüssen, das mich abschreckte. Selbst wenn ich meine Bilder für gut genug hielt, ich könnte nie die Trommel für sie rühren.
Was blieb mir sonst noch?
Als Trainer konnte ich mich nicht niederlassen. Es fehlte mir an Kapital, und das Trainieren von Rennpferden war nichts für jemanden, der ein Bedürfnis nach Ruhe und Alleinsein hatte. Trainer redeten von morgens bis abends mit Leuten und lebten in ständigem Trubel.
Ich wollte unbedingt selbständig bleiben, mir war instinktiv klar, daß sich das nie ändern würde. Eine regelmäßige Lohntüte sah nach Fesseln aus. Ein unlogisches Gefühl, aber überwältigend. Was immer ich machen würde, ich mußte unabhängig sein.
Ich mußte meine Gewohnheit, nie Entscheidungen zu treffen, ablegen. Mir war klar, daß ich in Jobs landen konnte, die nichts von der enormen Befriedigung des Jockey-Lebens boten. Bis jetzt hatte ich Glück gehabt, aber wenn das nächste Kapitel mich auch befriedigen sollte, blieb mir nichts anderes übrig, als einmal Entschlossenheit zu zeigen.
Dieser verfluchte Victor Briggs, dachte ich wütend.
Wer Jockeys dazu anstiftete, Rennen zu schmeißen, riskierte einen Verweis, aber selbst wenn ich erreichte, daß Victor Briggs einen Verweis bekam, war Harold der Hauptleidtragende. Und meinen Job wäre ich auf jeden Fall los, weil Harold mich danach kaum behalten würde, selbst wenn wir nicht beide wegen der Rennen, die ich früher geschmissen hatte, unsere Lizenz verloren. Ich konnte Victor Briggs’ Gaunerei nicht beweisen, ohne Harolds und meinen Anteil an der Sache zuzugeben.
Betrug oder Ende der Karriere. Eine krasse Wahl … absolut mörderisch.
Am Dienstag lief alles wie üblich, aber als ich am Mittwoch nach Kempton kam, um Pamphlet zu reiten, herrschte im Waageraum prickelnde Spannung: es gab zwei neue Gerüchte.
Ivor den Relgan war in den Jockey Club aufgenommen worden, und das Haus von Steves Mutter war
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