Reflex
aus.«
Er sah dennoch interessiert zu, wie ich in einem Schrank in der Dunkelkammer herumkramte.
»Das sieht alles schrecklich professionell aus«, sagte er und ließ seinen Blick über die Vergrößerungsapparate und den Color-Prozessor schweifen. »Ich hatte keine Ahnung, daß Sie sich mit so was beschäftigen.«
Ich erzählte ihm kurz von Charlie und fand schließlich, was ich suchte: eine etwas verstaubte Flasche, die ich vor drei Jahren bei einem Urlaub in Amerika erstanden hatte. Auf dem Etikett stand ›Negativ-Verstärker‹, darunter die Gebrauchsanweisung. Sehr hilfreich. Viele Hersteller druckten ihre Anweisungen auf dünne Extrazettel, die naß wurden oder verlorengingen. Ich trug die Flasche zum Ausgußbecken hinüber, wo am Wasserhahn ein Wasserfilter befestigt war.
»Was ist das?« fragte Jeremy und zeigte auf das bauchige Ding.
»Zum Entwickeln von Fotos braucht man extrem sauberes, weiches Wasser. Und die Wasserleitung darf nicht aus Eisen sein, sonst gibt es massenhaft kleine schwarze Flecken auf dem Abzug.«
»So was Verrücktes.«
»Nicht verrückt, gut durchdacht.«
In einem Plastikmeßbecher mischte ich Wasser und Verstärker in dem Lösungsverhältnis, das auf der Gebrauchsanweisung angegeben war, und schüttete die Flüssigkeit in die Entwicklerschale.
»Ich habe so was noch nie gemacht«, sagte ich zu Jeremy. »Vielleicht funktioniert es nicht. Möchten Sie zusehen, oder wollen Sie lieber bei dem Schampus in der Küche bleiben?«
»Ich bin … äh … total gefesselt, muß ich zugeben. Was genau haben Sie vor?«
»Ich will von diesem leeren Filmstreifen mit den kaum sichtbaren Flecken Kontaktabzüge auf ganz normales Schwarzweißpapier machen, um zu sehen, was dabei herauskommt. Und dann werde ich das Negativ ins Verstärkerbad legen und anschließend noch einen Schwarzweißabzug machen, um zu überprüfen, ob ein Unterschied zu sehen ist. Und dann … tja, das müssen wir abwarten.«
Er sah zu, wie ich im schwachen roten Licht arbeitete, und steckte die Nase dabei fast in den Entwickler.
»Da scheint sich nichts zu tun«, sagte er.
»Man muß ein bißchen herumprobieren«, gab ich zu. Viermal versuchte ich, einen Abzug von dem leeren Film zu machen, mit unterschiedlicher Belichtungszeit, aber auf dem Papier erschien nur ein einheitliches Schwarz oder ein einheitliches Grau oder ein einheitliches Weiß.
»Da ist nichts drauf«, sagte Jeremy. »Hat keinen Sinn.«
»Warten Sie, bis wir den Verstärker benutzt haben.«
Mit mehr Hoffnung als Zuversicht legte ich den durchsichtigen Filmstreifen ins Verstärkerbad und bewegte ihn erheblich länger darin als die angegebene Mindestzeit. Dann wässerte ich ihn und hielt ihn gegen das Licht: die kaum sichtbaren Flecken waren immer noch kaum sichtbar.
»Nichts geworden?« fragte Jeremy enttäuscht.
»Weiß ich nicht. Ich weiß eigentlich nicht, was passieren soll. Vielleicht ist auch der Verstärker zu alt. Manche Fotochemikalien verlieren mit der Zeit ihre Wirksamkeit. Haltbarkeitsdatum und so weiter.«
Ich machte weitere Abzüge von dem Negativ mit denselben Belichtungszeiten wie zuvor, und wie zuvor war das Ergebnis ein einheitliches Schwarz und ein einheitliches Grau, aber auf dem hellgrauen Abzug sah man diesmal fleckige Stellen, und auf dem fast weißen Abzug verschwommene Formen.
»Ha«, sagte Jeremy. »Das wär’s dann wohl.«
Wir gingen in die Küche zurück, um nachzudenken und uns zu stärken.
»Zu dumm«, sagte er. »Machen Sie sich nichts draus, es war von vorneherein aussichtslos.«
Ich nahm ein paar prickelnde Schlückchen und ließ sie um meine Zähne perlen.
»Ich schätze, daß wir weiterkommen«, sagte ich, »wenn wir das Negativ nicht auf Papier, sondern auf einen anderen Film abziehen.«
»Auf einen Film abziehen? Meinen Sie auf so ein Ding, das man in den Fotoapparat tut? Ich wußte gar nicht, daß das geht.«
»Klar geht das. Man kann auf alles Abzüge machen, was mit einer Fotoemulsion beschichtet ist. Und man kann praktisch alles mit einer Fotoemulsion beschichten. Das heißt, es muß nicht unbedingt Papier sein, wenn das auch das übliche ist; man denkt natürlich an die Fotos im Familienalbum und den ganzen Kram. Aber man kann Leinwand mit der Emulsion beschichten und Bilder darauf abziehen. Oder Glas. Oder Holz. Oder sogar Ihren Handrücken, wenn Sie eine Zeitlang in der Dunkelheit stehen wollen.«
»Du liebe Güte.«
»Schwarzweiß natürlich«, sagte ich. »Nicht farbig.«
Ich ließ noch etwas
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