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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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nicht dort gewohnt, sagt der Makler. Sie haben nur tagsüber dort gearbeitet. Die Musiker allerdings haben dort auch gelebt. Es waren … ähm … experimentelle Musiker, was immer das heißen mag.«
    »Mehr Seele als Erfolg.«
    Er warf mir einen kurzen, scharfen Blick zu. »Einer aus dem Maklerbüro sagt, er erinnert sich, daß sie das ganze Stromnetz ruiniert haben und angeblich ständig high waren von irgendwelchen Drogen. Hört sich irgendwas davon nach … ähm … nach Ihrer Mutter an?«
    Ich überlegte.
    »Pfadfinder hören sich ganz und gar nicht nach ihr an«, sagte ich. »Die können wir außer acht lassen. Drogen hören sich sehr nach ihr an, aber Musiker nicht. Schon gar nicht erfolglose Musiker. Sie hat mich nie bei erfolglosen Leuten gelassen … oder bei musikalischen, wenn ich’s recht bedenke.« Ich überlegte weiter. »Ich denke, wenn sie in der Zeit wirklich drogensüchtig war, war es ihr vielleicht egal. Aber sie liebte Komfort.« Ich hielt wieder inne. »Man sollte sich wohl als erstes die Fernsehgesellschaft vornehmen. Die könnten uns zumindest sagen, an was für einer Produktion sie damals gearbeitet haben, und wer daran beteiligt war. Bestimmt haben sie noch irgendwo die Angaben.«
    An Jeremys ungläubiger bis verwirrter Miene konnte man ablesen, wie seine Gefühle durcheinandergingen.
    »Ähm …«, sagte er. »Ja, also …«
    »Hören Sie«, unterbrach ich ihn, »stellen Sie einfach Fragen. Wenn sie mir nicht gefallen, beantworte ich sie nicht.«
    »Sie sind so furchtbar direkt«, klagte er. »Also gut. Was soll das heißen, Ihre Mutter hat Sie bei Leuten gelassen, und was hat Ihre Mutter mit Drogen zu tun?«
    Ich erläuterte ihm die Abladeprozedur und was ich den Deborahs, Samanthas und Chloes zu verdanken hatte. Allein Jeremys erschütterter Gesichtsausdruck machte mir deutlich, daß ich keine durchschnittliche Kindheit verlebt hatte.
    »Mit den Drogen ist es etwas komplizierter«, sagte ich. »Ich wußte nichts von den Drogen, bis ich größer war, und nach meinem zwölften Geburtstag habe ich sie nur noch einmal gesehen … an dem Tag, an dem sie mich von den Homosexuellen weggeholt und zu dem Rennstall gebracht hat. Aber sicher hat sie, soweit ich zurückdenken kann, Drogen genommen. Manchmal hat sie mich eine Woche bei sich behalten, und da war so ein Geruch, ein beißender, unverwechselbarer Geruch. Jahre später habe ich ihn wieder gerochen … Ich muß über zwanzig gewesen sein … und es war Marihuana. Cannabis. Ich hab’s geraucht, als ich klein war. Einer der Freunde meiner Mutter hat es mir gegeben, als sie weg war, und sie war schrecklich wütend. Wissen Sie, sie hat sich auf ihre Weise bemüht, dafür zu sorgen, daß ich in geordneten Bahnen aufwuchs. Ein andermal hat ein Mann, mit dem sie liiert war, mir Acid gegeben. Sie war fuchsteufelswild.«
    »Acid«, sagte Jeremy. »Meinen Sie LSD?«
    »Genau. Ich habe das Blut durch meine Adern strömen sehen, als wäre die Haut durchsichtig. Ich konnte die Knochen sehen, wie auf einem Röntgenbild. Es war umwerfend. Man wird sich der Grenzen unsrer alltäglichen Wahrnehmung bewußt. Ich konnte Geräusche dreidimensional wahrnehmen. Das Ticken einer Uhr. Unglaublich. Meine Mutter kam ins Zimmer und erwischte mich dabei, wie ich gerade aus dem Fenster fliegen wollte. Ich konnte auch ihr Blut kreisen sehen.« Ich konnte mich an alles sehr plastisch erinnern, obwohl ich damals erst fünf Jahre alt war. »Ich wußte nicht, warum sie so böse war. Der Mann hat gelacht, und sie hat ihn geschlagen.« Ich hielt inne. »Sie hat mich von Drogen ferngehalten. Sie ist an Heroin gestorben, glaube ich, aber sie hat dafür gesorgt, daß ich nie etwas davon zu sehen bekam.«
    »Warum glauben Sie, daß sie an Heroin gestorben ist?«
    Ich goß uns Champagner nach.
    »Die Leute vom Rennstall haben davon gesprochen. Margaret und Bill. Bald nachdem ich dort hingekommen war, bin ich eines Tages ins Wohnzimmer gegangen, als sie sich gerade gestritten haben. Ich habe zunächst nicht begriffen, daß es um mich ging, aber sie sind verstummt, sowie sie mich gesehen haben, da war es mir klar. Bill hatte gesagt: ›Er gehört zu seiner Mutter‹, und Margaret unterbrach ihn und sagte: ›Die hängt an der Nadel‹, und dann sah sie mich und verstummte. Ich begriff gar nichts, fand nur die Vorstellung lustig.« Ich lächelte schief. »Erst Jahre später begriff ich, was Margarets Worte bedeutet hatten. Ich habe sie später darauf angesprochen, und sie hat mir

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