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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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losgegangen ist. Rein mit Ihnen. Rein mit Ihnen.«
    Ich ging hinein und wog mich und zog mich um und wog mich wieder und ritt und kam zurück und zog mich um und wog mich …
    Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als alles neu für mich war, da hatte mein Herz jedesmal wie verrückt geschlagen, wenn ich vom Umkleideraum zum Führring ging und wenn ich im Aufgalopp zum Start ritt. Nach zehn Jahren beschleunigte sich mein Herzschlag nur noch, wenn es um Großes ging, das Grand National und so weiter, und dann auch nur, wenn mein Pferd eine reelle Siegeschance hatte. Aus der einstigen höllischen Erregung war Routine geworden.
    Schlechtes Wetter, lange Fahrten, Enttäuschungen und Verletzungen hatte ich zunächst als ›Teil des Jobs‹ abgetan. Nach zehn Jahren begriff ich, daß all das den Job ausmachte. Die Höhepunkte, die Siege waren die Zugaben.
    Das Handwerkszeug meines Berufes war eine Vorliebe für Geschwindigkeit und für Pferde sowie die Kraft, diese beiden Neigungen zu verbinden. Dazu kamen harte Knochen, die Fähigkeit, auf die Füße zu fallen, und die Veranlagung, schnell zu genesen, wenn das einmal nicht gelang.
    Nichts von diesem Handwerkszeug, abgesehen von der Vorliebe für Pferde vielleicht, würde mir als Fotograf auch nur das geringste nützen.
    Am Ende des Nachmittags ging ich gereizt zu meinem Auto hinaus. Ich wollte kein Fotograf werden. Ich wollte Jockey bleiben. Ich wollte bleiben, wo ich war: im Altvertrauten. Nicht unwiderruflich in eine unbestimmte Zukunft treten. Ich wollte, daß alles so weiterging wie bisher und sich nicht veränderte.
     
    Am frühen Morgen des nächsten Tages erschien Clare Bergen auf meiner Schwelle, in Begleitung eines jungen Mannes, dessen Fingerspitzen beim Händedruck geradezu vor Energie vibrierten. Ich hatte die verschwommene Vorstellung gehabt, Verleger seien stattliche Vaterfiguren. Eine weitere altmodische Illusion war dahin.
    Clare trug eine leuchtende Wollmütze, einen leuchtenden Schal, eine afghanische Lammfelljacke, gelbe Satinskihosen und gewaltige Lammfellstiefel. Na schön, dachte ich, sie würde nur die Hälfte der Pferde erschrecken. Die nervöse Hälfte.
    Ich fuhr die beiden in dem Landrover, den Harold mir zu diesem Zweck geliehen hatte, in die Downs, und wir sahen etwas bei der Koppelarbeit zu. Dann fuhr ich sie im Dorf herum und zeigte ihnen, wo welcher Trainer wohnte. Anschließend brachte ich sie wieder zu meinem Haus zurück, zum Kaffeetrinken und Nachdenken.
    Der Verleger sagte, er würde gern etwas zu Fuß durch die Gegend streifen, und ging. Clare trank ihre zweite dampfende Tasse Kaffee und meinte, wie wir es um alles in der Welt in diesem Wind aushalten könnten, der einen praktisch mittendurch sägte.
    »Es ist hier eigentlich fast immer windig«, stimmte ich nachdenklich zu.
    »All diese kahlen Hügel.«
    »Gut für Pferde.«
    »Ich glaube, ich habe noch nie ein Pferd angefaßt.« Der Gedanke schien sie etwas zu überraschen. »Fast alle meine Bekannten verachten Leute, die mit Pferden zu tun haben.«
    »Jeder fühlt sich gern erhaben«, sagte ich ungerührt. »Besonders, wenn er keinen Grund dazu hat.«
    »Autsch«, sagte sie. »Das hat gesessen,«
    Ich lächelte. »Sie würden sich wundern, was für ein Haß sich oft gegen Pferde richtet. In allen Abstufungen von Hohn bis Hysterie.«
    »Und das macht Ihnen nichts aus?«
    »Was die Leute empfinden, ist deren Problem, nicht meins.«
    Sie sah mich aus ihren großen grauen Augen offen an.
    »Was kann Sie denn verletzen?« sagte sie.
    »Leute, die sagen, ich wäre über Bord gesprungen, wenn ich in Wirklichkeit mit dem Schiff untergegangen bin.«
    »Äh … was?«
    »Leute, die sagen, daß ich runtergefallen bin, wenn das Pferd gestürzt ist und mich mitgerissen hat.«
    »Und das ist ein Unterschied?«
    »Ein ganz wesentlicher.«
    »Sie nehmen mich auf den Arm«, sagte sie.
    »Ein bißchen.« Ich nahm ihre leere Tasse und stellte sie in die Spülmaschine. »Und was kann Sie verletzen?«
    Sie blinzelte, aber nach einem Zögern antwortete sie.
    »Wenn mich jemand für einen Idioten hält.«
    »Das ist eine bestechend ehrliche Antwort.«
    Anscheinend verlegen wandte sie den Blick von mir ab und sagte, das Haus und die Küche gefielen ihr und ob sie mal das Bad benutzen dürfe. Sie kam bald wieder heraus, ohne die Wollmütze und mit frisch geschminkten Lippen, und wollte wissen, ob der Rest des Hauses entsprechend sei.
    »Wollen Sie’s sehen?« sagte ich.
    »Gerne.«
    Ich zeigte ihr das

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