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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Wohnzimmer, das Schlafzimmer und schließlich die Dunkelkammer. »Und das wär’s«, sagte ich.
    Sie drehte sich langsam von der Dunkelkammer zur Diele um, wo ich stand.
    »Sie haben gesagt, daß Sie fotografieren.«
    »Stimmt.«
    »Aber ich hab gedacht, Sie meinten …« Sie runzelte die Stirn. »Meine Mutter meinte, ich hätte Sie vor den Kopf gestoßen, als Sie angeboten haben … aber ich hatte keine Ahnung, daß …«
    »Macht nichts«, sagte ich. »Schon in Ordnung.«
    »Tja … kann ich sie mal sehen?«
    »Wenn Sie wollen. Sie sind da drüben in dem Aktenschrank.«
    Ich zog eine Schublade auf und ging die Mappen durch. »Da haben wir’s: Lambourn.«
    »Und was ist in all den andern?« sagte sie.
    »Einfach Fotos.«
    »Wovon?«
    »Von fünfzehn Jahren.«
    Sie sah mich scharf an, als würde ich dummes Zeug reden, also fügte ich hinzu: »Seit ich eine eigene Kamera habe.«
    »Ach so.« Sie überflog die Etiketten der Mappen und las dabei laut: »Amerika, Frankreich, Kinder, Harolds Farm, Jockeyleben …«
    »Was heißt ›Jockeyleben‹?«
    »Der Alltag eben, wenn man Jockey ist.«
    »Kann ich das mal sehen?«
    »Klar.«
    Sie zog die prall gefüllte Mappe aus der Schublade und spähte hinein. Dann trug sie sie in Richtung Küche, und ich folgte mit den Fotos von Lambourn.
    Sie legte die Mappe auf den Küchentisch, öffnete sie und ging den umfangreichen Inhalt Bild für Bild durch, sah sich eins nach dem andern mit gerunzelter Stirn an.
    Keinerlei Kommentar.
    »Kann ich ›Lambourn‹ sehen?« sagte sie.
    Ich gab ihr ›Lambourn‹, und sie sah sich diese Bilder ebenfalls schweigend an.
    »Ich weiß, daß sie nicht berühmt sind«, sagte ich schüchtern. »Sie müssen Ihr Gehirn nicht nach einer netten Bemerkung zermartern.«
    Sie sah ernst zu mir auf. »Sie lügen. Sie wissen ganz genau, daß sie gut sind.«
    Sie klappte die Lambourn-Mappe zu und trommelte mit den Fingern darauf. »Spricht nichts dagegen, daß wir die verwenden«, sagte sie. »Aber das ist natürlich nicht meine Entscheidung.«
    Sie wühlte in ihrer großen braunen Handtasche herum und förderte Zigaretten und ein Feuerzeug zutage. Sie steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an, und ich bemerkte überrascht, daß ihre Finger zitterten. Was zum Teufel hatte sie wohl so nervös gemacht? Irgend etwas hatte sie zutiefst durcheinandergebracht, denn die glänzende, extrovertierte Oberfläche war völlig verschwunden, und was ich vor mir hatte, war eine dunkelhaarige Frau, die sich voll und ganz auf die Gedanken in ihrem Kopf konzentrierte.
    Sie nahm ein paar tiefe Züge und starrte mit leerem Blick auf ihre Finger, die immer noch zitterten.
    »Was ist los?« sagte ich schließlich.
    »Nichts.« Sie warf mir einen raschen Blick zu, sah wieder weg und sagte: »So was wie Sie hab ich gesucht.«
    »So was?« wiederholte ich verblüfft.
    »Mhm.« Sie klopfte die Asche ab. »Meine Mutter hat Ihnen doch erzählt, daß ich Verlegerin werden möchte.«
    »Ja, hat sie.«
    »Die meisten Leute lächeln darüber, weil ich noch so jung bin. Aber ich arbeite jetzt schon fünf Jahre in der Branche … und ich weiß, was ich tue.«
    »Ich zweifle nicht daran.«
    »Schön … aber ich brauche … ich möchte … ich muß ein Buch machen, mit dem ich mir in der Verlagswelt einen Namen machen kann. Ich muß bekannt werden als diejenige, die das und das Buch herausgebracht hat. Ein sehr erfolgreiches Buch. Dann ist meine Zukunft im Verlagsgeschäft gesichert. Verstehen Sie?«
    »Ja.«
    »Nach diesem Buch suche ich jetzt schon an die zwei Jahre. Und verzweifle schier, weil ich etwas ganz Außergewöhnliches haben will. Und jetzt …«, sie holte tief Luft, »jetzt hab ich’s gefunden.«
    »Aber ›Lambourn‹ ist nichts Neues«, sagte ich verwirrt. »Und ich dachte, es ist ohnehin das Buch von Ihrem Chef …«
    »Das doch nicht, Sie Dussel«, sagte sie. »Das hier.« Sie legte die Hand auf die »Jockeyleben«-Mappe. »Die Bilder hier. Die brauchen keinen Text. Die sprechen für sich.« Sie zog an ihrer Zigarette. »In der richtigen Reihenfolge angeordnet … präsentiert als Lebensstil … als Autobiographie, als Sozialkritik, als Einblick in die menschliche Natur … und gleichzeitig in die Funktionsweise einer Industrie … wird das eine spektakuläre Alternative zu Blumen und Fisch.«
    »Die Blumen haben sich millionenfach verkauft, oder?«
    »Sie glauben mir nicht, stimmt’s?« fragte sie. »Sie verstehen einfach nicht …« Sie unterbrach sich

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