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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Kopf. Sein Gesicht war immer noch ausdruckslos. Sein Blick war kalt und hart. Ich zwang mich, nicht zu schlucken, sagte nur »In Ordnung«, ging weiter und wünschte mir, ich hätte nie dieses dämliche großartige Versprechen gegeben.
    Im Umkleideraum erzählte jemand einen Witz über zwei Statuen, und Steve Millace beugte und streckte seinen verheilenden Arm und beklagte sich, daß der Arzt ihn nicht für reitfähig erklärte, und jemand anders verkündete die ersten Gerüchte über eine große Umwälzung im Pferderennsport. Ich zog meine Straßenkleidung aus und hörte allen dreien gleichzeitig zu.
    »Die zwei nackten Statuen, der Mann und die Frau, stehen also schon hundert Jahre in diesem Park und sehen sich an …«
    »Ich hab ihm gesagt, daß ich ihn wieder voll bewegen kann. Es ist nicht fair …«
    »Es stimmt wirklich, daß der Jockey Club dabei ist, ein neues Komitee zu bilden …«
    »Da besucht sie ein Engel und sagt, weil sie all die Jahre im Sommer und Winter geduldig dagestanden haben, werden sie jetzt zur Belohnung für eine halbe Stunde zu menschlichem Leben erweckt, damit sie das tun können, was sie schon immer am allerliebsten tun wollten …«
    »Ich kann meinen Arm im Kreis herumschwingen, schaut doch. Was meint ihr dazu?«
    »Ein Komitee, das bezahlte Stewards ernennen soll, oder so was.«
    »Die zwei Statuen werden also lebendig, gucken sich an, lachen ein bißchen, sagen ›Sollen wir?‹ und ›Au ja‹, und dann verschwinden sie im Gebüsch und es gibt ein Mordsgeraschel …«
    »Ich kann jedes Pferd halten. Ich hab’s ihm gesagt, aber der Blödmann hat nicht auf mich gehört.«
    »… daß der Senior Steward ein Gehalt kriegen soll.«
    »Nach einer Viertelstunde kommen sie aus dem Gebüsch, total verschwitzt und aufgeregt und glücklich, und der Engel sagt, ihr habt erst die Hälfte der Zeit verbraucht, ihr dürft ruhig noch mal …«
    »Wie lang braucht so ein Schlüsselbeinbruch eigentlich?«
    »Lord White hat der Regelung angeblich zugestimmt …«
    »Die Statuen kichern ein bißchen, und die männliche Statue sagt zur weiblichen Statue: ›O.k., machen wir’s nochmal, aber diesmal andersrum. Ich halt die dämliche Taube fest, und du kackst drauf.‹«
    Mitten in der Lachsalve hörte ich den Gerüchteerzähler sagen: »… und Ivor den Relgan wird Vorsitzender.«
    Ich wandte mich zu ihm. »Was hast du gesagt?«
    »Ich weiß nicht, ob es stimmt … aber einer von den Klatschreportern hat mir erzählt, daß Ivor den Relgan beauftragt worden ist, ein Komitee zu bilden, das bezahlte Stewards ernennen soll.«
    Ich runzelte die Stirn. »Das verleiht den Relgan aber mit einem Schlag verdammt viel Macht.«
    Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
    Er hatte vielleicht keine Ahnung, aber andere sehr wohl.
    Im Laufe des Nachmittags konnte man förmlich sehen, wie sich das Gerücht als unangenehme Überraschung von einem Jockey Club-Gesicht zum nächsten fortpflanzte. Die einzige Gruppe, die von der allgemeinen Reaktion nicht betroffen schien, war eine schlecht zusammenpassende Gesellschaft von vier Leuten, die die Blicke aller andern auf sich zog.
    Lord White, Lady White, Ivor den Relgan, Dana den Relgan.
    Sie standen vor dem Waageraum in der schwachen Novembersonne, beide Frauen in Nerz gekleidet, Lady White, schlank wie immer, sah abgezehrt, unansehnlich und unglücklich aus. Dana den Relgan strotzte vor Gesundheit, lachte strahlend, zwinkerte Lord White zu und warf gönnerhafte Blicke auf seine Lady.
    Lord White sonnte sich im Licht von Danas Lächeln und streifte die Jahre ab wie Schlangenhäute. Ivor den Relgan bedachte die Umwelt mit seinem süffisanten Grinsen und rauchte seine Zigarre mit einem gebieterischen Gehabe, als wäre er der Besitzer der Rennbahn von Ascot. Er trug wieder den Kamelhaarmantel mit Gürtel, sein graues Haar war zurückgekämmt, und er sah es als sein natürliches Recht an, daß man ihm stets Aufmerksamkeit schenkte.
    Harold tauchte an meinem Ellbogen auf und folgte meinem Blick.
    »Dschingis-Khan macht sich auf, die Welt zu erobern«, sagte er.
    »Das Komitee?«
    »Würdest du nicht auch sagen, daß es etwas dick aufgetragen ist, wenn man jemand wie den Relgan den Vorsitz über ein von ihm selbst ernanntes Komitee gibt?«
    »Kosmetik oder Tarnung?«
    »Beides. Im Klartext heißt das doch: ›O.k., du suchst dir die Stewards aus, die dir passen, und wir bezahlen sie.‹ Es ist nicht zu fassen.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Der Alte Schneesturm ist dermaßen

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