Regenbogen-Welt (German Edition)
Ihre überspannten Nerven beruhigten sich. Saha versteckte
sich in dem mächtigen Wurzelwerk eines Olivenbaumes und schlummerte vor sich
hin. Nur ein paar Minuten, dachte sie schläfrig, dann gehe ich zurück zu den
Anderen. Das Meer gurgelte laut. Zog Sahas Aufmerksamkeit geschickt auf sich.
Plötzlich sah sie Boote in einer Form zwischen den Wellen gleiten, die sie
bisher noch nie gesehen hatte. Es waren schmale, langgezogene Gefährte, in
denen jeweils ein oder zwei Gestalten knieten. Diese zogen geschickt hölzerne
Paddel durch das Wasser und gaben den Booten dadurch Schubkraft. Saha konnte
sich nicht erinnern, jemals solche Boote ohne Segel gesehen zu haben. Uhura
regte sich neben ihr. „Das sind Kanus”, gurrte sie.
Die Wesen in den Kanus näherten sich dem Ufer und somit Saha und
der Eule. Sie versammelten sich in einer schnurgeraden Formation und winkten
Saha zu. Es war wie eine stumme Aufforderung, auch eines der Kanus zu
besteigen. Saha war noch nie über die Wasseroberfläche geglitten und es reizte
sie so sehr, dass sie Uhuras Warnung in den Wind schlug und eines der Gefährte
bestieg.
Das Meer brauste auf. Als habe es nur darauf gewartet, Sahas
habhaft zu werden. Es zischte wie ein Geysir und schlug hohe Wellen. Saha
schrie erschrocken auf, verlor das Gleichgewicht, als das Kanu leicht wie eine
Nussschale hochgehoben wurde. Sie klammerte sich an den Bootsrand. Ein Strudel
erfasste das Kanu. Wirbelte es so schnell um die eigene Achse, dass es Saha
schwindelte. Sie schloss die Augen und schickte ein Gebet zum Himmel. Der
Strudel erhob sich als Wasserfontäne höher und höher. In seiner Mitte tanzte
immer noch das Kanu. Es erreichte den Himmel, der sich bereitwillig öffnete.
Und Saha streckte sehnsüchtig die Arme aus, um das Schlupfloch in die Dritte
Welt zu erreichen.
Stimmen schwammen an ihr vorbei. Wie durch einen Nebelschleier
hörte sie Barb und Shirkan, öffnete vorsichtig die Augen und sah zwei besorgte
Gesichter verschwommen über sich auftauchen.
„Da ist sie ja.” Shirkan klang eindeutig erleichtert.
„Kannst du mir verraten, warum sie sich hier versteckt?”, schwang
Ishtars Stimme beruhigt, aber auch verärgert zu ihr herüber.
Saha riss mit einem Ruck die Augen ein weiteres Stück auf. Die
Schleier lichteten sich. Da waren sie: Ihre Freunde. Das konnte nur bedeuten,
dass sie noch in der Zweiten Welt war.
„Oh nein”, jammerte sie. „Ich bin tatsächlich noch hier.”
„Wo solltest du auch sonst sein”, brummte Ishtar, immer noch
zornig. „Weißt du, dass wir dich seit einigen Stunden suchen? Und du liegst
hier und hältst ein Nickerchen!”
Nickerchen konnte man es nicht unbedingt nennen. Saha hatte einen
handfesten Traum gehabt. Einen der Sorte, von dem man beim Erwachen hoffte, er
möge Wirklichkeit sein. Natürlich war Letztere wieder einmal so grausam, dass
sich der Traum verflüchtigte und das schale Gefühl in Saha hinterließ, dass
ihre Wünsche niemals in Erfüllung gingen. Ihr Blick streifte Ishtars Gesicht,
das immer noch bewölkt war, sodass sie sich genötigt sah, ihn zu besänftigen.
„Ich wollte euch nicht in Aufregung versetzen, Ishtar. Zuerst
konnte ich nicht schlafen und dann ...”
„Ist schon gut, Kind”, mischte sich Shirkan ein. „Dir ist nichts
geschehen, das ist die Hauptsache.”
Barb kicherte in Sahas Ohr. „Wie schaffst du das nur immer?”
„Was?”, fragte Saha zerstreut.
Barbs Kichern wurde eine Spur lauter. „Du brauchst nur mit den Wimpern
zu klimpern und Shirkan ist versöhnt, von Ishtar ganz zu schweigen.”
„Ishtar sieht keineswegs besänftigt aus”, widersprach Saha.
„Er hat auch tausend Ängste ausgestanden.” Barb warf ihr einen
amüsierten Blick zu. „Du kannst mitunter recht gedankenlos sein!”
Saha verspürte nicht die geringste Lust, auch noch von Barb ihre
Verfehlungen vorgehalten zu bekommen. Sie war froh, als Shirkan und Uhura zum
Aufbruch antrieben. Die beiden hatten es plötzlich sehr eilig. Hatten vorher
sogar verdächtig lange mit Ishtar und Azaa getuschelt.
Shash schüttelte den Kopf. Er sah Tuc an. „Auf geht‘s, mein
Freund”, sagte er und beugte den Kopf zur Erde, um Tuc den Aufstieg zu
erleichtern. Sofort hüpfte der kleine Käfer an seinen mittlerweile angestammten
Platz zwischen den Ohren des Bären. Saha konnte sich ein Schmunzeln nicht
verkneifen.
Und auch Hazee ging es so. „Die beiden sind schon rührend, nicht
wahr?”
Saha nickte bei dem Anblick des tragisch-komischen
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