Regenbogen-Welt (German Edition)
Etwas
Lauerndes schwang in ihrer Stimme.
Saha brach der kalte Schweiß aus. All die unangenehmen Dinge, die
sie über Spinnen gehört hatte, kamen ihr in den Sinn. Sie sah vor ihrem
geistigen Auge, wie ein klebriger Faden aus dem After der Spinne schoss und ein
kunstvolles Netz wob, in dem sie sich verfangen sollte. In ihrer Phantasie
erblickte sie die scharfen Kiefern der Spinne dicht vor ihrem Gesicht. Hörte,
wie sie zuschnappten und fühlte förmlich den Schmerz. Den Moment des Todes.
Erschrocken machte sie einen Satz von Azaa weg.
Die ließ sie nicht aus den Augen, warf aber dann den Kopf in den
Nacken und lachte lauthals. „Du hast ja Angst vor mir”, stellte sie belustigt
fest.
„Wie kommst du denn auf den Blödsinn?”, entgegnete Saha betont
forsch, um sich ihre Furcht ja nicht anmerken zu lassen.
„Es stand dir deutlich im Gesicht geschrieben. Aber ich kann dich
beruhigen: Ich bin NICHT auf dem Kriegspfad.”
Es beruhigte Saha tatsächlich. Auch wenn sie der Spinne noch
immer nicht traute. „Ich muss jetzt gehen. Sonst machen sich meine Freunde
Sorgen um mich.”
„Es gibt hier noch mehr von deiner Sorte?”, fragte Azaa
interessiert.
Saha nickte. „Ja, und sie werden einen Suchtrupp nach mir
losschicken, wenn ich nicht allmählich bei ihnen auftauche.”
„Wenn ich nicht gewesen wäre, gäbe es nichts mehr, wonach sie
suchen könnten. Schon vergessen?”
„Natürlich nicht. Ich will auch nicht undankbar erscheinen, aber
ich muss jetzt wirklich ...”
„Was hältst du davon, wenn ich dich begleite? Ich bin von Natur
aus neugierig und bin gespannt auf deine Freunde.”
Das auch noch, dachte Saha. Sie ist also neugierig. So wie du ,
wisperte eine unbekannte Stimme in ihr. Saha brummte etwas vor sich hin und
warf Azaa einen skeptischen Blick zu. „Und du versprichst mir, dich nicht
sofort auf meine Freunde zu stürzen und sie zu verspeisen?”
Azaa lachte schallend. Sie schien überhaupt eine lustige Natur zu
sein. „Du musst das Risiko schon eingehen.” Dann wurde sie ernst. „Aber Spaß
beiseite. Du kannst mir vertrauen, Saha.”
Saha wäre beinahe zu Boden gefallen. Sie hatte der Spinne ihren
Namen nicht verraten. „Woher weißt du, wie ich heiße?”
Azaa sah sie mit ihren dunklen Augen an. „Das wirst du noch früh
genug erfahren.”
Sahas Freunde reagierten ebenso misstrauisch auf Azaa. Sie
beäugten die Spinnen-Frau aus sicherer Entfernung.
So lange, bis es Azaa zu viel wurde. „Habt ihr mich nun lange
genug angestarrt?”, rief sie fröhlich. „Ich komme mir ja wie im Zoo vor.”
Saha fragte sich gerade, was wohl ein Zoo war, als sie Uhura
ansah. Über deren Gesicht hatte sich ein Leuchten gelegt. Etwas wie freudiges
Erkennen schimmerte in ihren Augen. Und diese Reaktion zauberte das nächste
Fragezeichen in Sahas Gedanken. Kannten sich die Eule und die Spinne?
Ishtar flog über Azaas Kopf kleine Kreise. „Wir sind halt ebenso
neugierig wie du. Denn du wirst aus ähnlichem Grund hier sein, nicht wahr? Du
wolltest uns doch ebenso begaffen.”
Azaa nickte. „Das gebe ich zu. Ich habe noch keine eurer Art
gesehen ...” Sie zögerte. „In dieser Welt.”
Auch diese Bemerkung ließ Saha aufhorchen. Kannte Azaa noch eine
andere Welt? Und wenn, welche? Die über ihnen oder die untergegangene auf der
Erde?
Uhura stieß ihr altbekanntes “Huhu, Huhu!” aus. Azaa bewegte sich
auf ihren vier Beinpaaren in beeindruckendem Tempo auf sie zu. Sie blieb vor
der Eule sitzen und fragte: „Was macht ihr hier in dieser Welt?”
Nachdem Uhura geschildert hatte, wohin sie wollten, blieb es erst
einmal still. Azaa sah einen nach dem anderen an und sagte dann. „Ich werde
euch begleiten!”
Saha war sprachlos über so viel Selbstbewusstsein. Die Spinne bat
nicht darum, die Freunde begleiten zu dürfen. Sie stellte es einfach als
Tatsache hin. Was Saha aber noch mehr erstaunte, war die Reaktion ihrer
Freunde. Besser gesagt, die ausbleibende Reaktion. Denn niemand erhob Einwand.
Warum auch? Saha gestand sich ein, dass die Spinnen-Frau eine Bereicherung für
sie war. Sie war eine Meisterin der Jagd und konnte ihnen helfen, unliebsame
Gegner zu vertreiben.
Azaa blickte sich zufrieden um. „Worauf warten wir noch? Lasst
uns weitergehen”, schlug sie vor.
Saha fragte sich die nächsten Tage, woher das Geräusch kam, das
sie ständig begleitete, dessen Ursprung sie aber nicht ergründen konnten. Es
war ein leiser, gurgelnder Laut, der manchmal lauter
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