Regenbogen-Welt (German Edition)
Wie es unter Seelenverwandten möglich war, ohne
Worte zu bedürfen. Aber diese Berührungen hatten etwas Anderes. Trugen einen
veränderten Charakter. Sie waren auch ein Abschied von einer Form der
Freundschaft und des in-den-anderen-Hineintauchens. Dafür schlummerte bereits
eine andere Art der Verbundenheit in ihnen, die darauf wartete zu erblühen.
Bisher waren nur ihre Seelen verwandt gewesen, aber nun waren sie auf dem
besten Weg, wahre Schwestern zu werden. Saha ließ ihre Hände aus Barbs gleiten
und lächelte die Freundin an. Eine Spur Verunsicherung glomm in deren Augen.
Der Regen hatte nachgelassen, war in leichtes Nieseln verkümmert.
Die Freunde sahen Barb und Saha stumm an. Wie sie dastanden, die Tropfen an
ihnen abliefen und sie sich berührten. Ihr verändertes Aussehen war ihnen nicht
verborgen geblieben. Auch Ishtars nicht. Mittlerweile war es auch zu auffällig
geworden, und sie entfernten sich damit endgültig von den Anderen.
Uhura wurde wehmütig bei dem Anblick. Dieses Bild würde deutlich
in ihrem Bewusstsein verankert bleiben. Erinnerungsfetzen längst verdrängter
Tage stiegen vor ihrem geistigen Auge auf. Sie sah Saha und Barb als Kinder,
als Jugendliche. Aber Uhura blickte auch viel weiter zurück. Sie sah die erste
menschliche Rasse und die große Kluft, die zwischen ihr und anderen Geschöpfen
erwachsen war. Würde diese nun auch zwischen ihnen entstehen? Als sich Saha
herumdrehte, atmete Uhura erleichtert auf. Da war immer noch das Funkeln des
Verständnisses in den Augen der Sich-Wandelnden-Frau. Die Eule hoffte inständig,
dass sie diese stumme Übereinkunft immer darin lesen würde.
Sie folgten wieder den Strahlen der Sonne. Das eintönige Weiß der
Wolken sandte ein gleißendes Licht aus, das in den Augen schmerzte. Saha
streckte ihren Körper. Den ganzen Tag hatte das Kind des Himmels unvermindert
auf sie herabgeschienen. Sahas Haut war sonnenempfindlicher geworden. Sie
musste daran denken, was Azaa erzählt hatte. Dass sich über der Erde ein
riesiges Ozonloch befunden hatte, das drohte, die Menschen zu verbrennen.
Den Rest des Tages verbrachte Saha damit, über dieses Loch
nachzudenken, das sich über der Erde aufgetan und alles verbrannt hatte. Bis
tief in die Nacht fand sie keinen Schlaf, und als sie dann doch vor Erschöpfung
dahindämmerte, träumte sie von Löchern, die sie verschlangen, von
Feuersbrünsten, die auf einen Planeten niederprasselten, der erst im blauen
Licht erstrahlte und dann von der Feuerwand in ein rotes Gewand getaucht wurde.
Ein Sonnenaufgang, der rosafarben in die Welt blutete, weckte sie
am nächsten Morgen. Saha hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Tag trotz des
wunderschönen Naturschauspiels nichts Gutes verhieß. Doch sie verlor kein Wort
darüber. Immerhin wollte sie die Freunde nicht beunruhigen. Mit gemächlichen
Schritten ging sie hinter ihnen her. War an diesem Tag nicht in den vorderen
Reihen, wie sonst immer. Sie wollte alleine sein. Wollte sich ganz und gar
ihren Gefühlen und Gedanken hingeben. Zu viel war bisher geschehen. Und noch
mehr würde auf sie zukommen. Dessen war sie sich sicher.
Auch die Verwandlungen forderten ihren Tribut. Nicht nur ihr
Äußeres hatte sich verändert, sondern auch ihr Denken. Eine fremde Intelligenz
hatte sich ihrer bemächtigt, die sie forderte. Ihren Ehrgeiz und ihr Ego. Darin
schlummerte eine versteckte Gefahr. Und Saha wusste, dass sie sich dieser
Gefahr stellen musste, damit sich die Verfehlungen der Vergangenheit nicht
wiederholten. Damit das Ego in ihr nicht überhandnahm. Sie ahnte, dass keine
leichte Aufgabe vor ihr lag. Denn in ihr war plötzlich mehr als ein Funken
Machthunger. Ein Saatkorn, das zu einer Pflanze aufgehen konnte und das sie
veranlassen würde, sich erhaben über ihre Freunde zu fühlen.
Dazu durfte es niemals kommen!
Einem plötzlichen Impuls folgend, drängte sie sich an Shash und
Dahsani vorbei und rannte mit großen Schritten zu Barb.
„Spürst du es auch?”, wisperte sie ihr zu. Ohne näher zu
erläutern, was die Freundin fühlen sollte. Doch die nickte bereits. „Spürst du
auch die Gefahr, die von unserer wachsenden Intelligenz ausgeht?”, bohrte Saha
weiter.
Barb nickte wieder. Sie schenkte der Freundin ein flüchtiges
Lächeln, das aber ihre Augen nicht erreichte. Es wirkte verkrampft. Wie
einstudiert. Ohne Leben und Wärme.
Und da wusste Saha, dass Barb wie sie empfand.
Lange dachten sie, dass die helle Eintönigkeit der
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