Regenbogen-Welt (German Edition)
für die Naturkräfte und Magie. Yoolgais Geist erwachte in ihr zu
neuem Leben. Er schuf eine zukunftsträchtige Symbiose zwischen der
Feinfühligkeit der Künstlerin und dem Wissen der weisen Schamanin.
Sie hatten die Brücke des Schlosses erreicht und schritten
zögernd darüber. Niemand stellte sich ihnen in den Weg. Überhaupt bekamen sie
kein Lebewesen zu Gesicht. Das Schloss schien ebenso ausgestorben zu sein wie
das der Mönche in den Wolken.
Doch das war ein Trugschluss.
Das wussten sie in dem Augenblick, als sie die große Halle
betraten und den goldenen Thron erblickten, auf dem ein Wesen von
unbeschreiblicher Schönheit saß. Es war eines der göttlichen Geschöpfe in
Menschengestalt. Eine Frau. Eine Frau mit goldenem Haar und ebenmäßigen
Gesichtszügen. Augen wie zwei blaue Bergseen strahlten die ungebetenen Besucher
an. Saha glaubte, noch niemals ein solches Leuchten gesehen zu haben. Die Frau
beugte sich vor. Neben ihr stand eine Gestalt unbestimmbaren Geschlechts.
Ebenfalls sehr schlank und in ein weißes Gewand gehüllt. Was sie von der
Himmelskönigin unterschied, waren die beiden Schwingen, die sich vom Rücken aus
bis weit über ihre Köpfe entfalteten.
„Astarte und Seraphim!”, entfuhr es Uhura.
Astarte lächelte und winkte sie anmutig zu sich. „Ich grüße
euch”, sagte sie freundlich. Uhura deutete eine Verbeugung an. „Wir grüßen dich
ebenfalls, göttliche Astarte. Wir sind auf dem Weg in die Dritte Welt.”
„Ich weiß.” Astarte lächelte immer noch. Geheimnisvoll und
unergründlich.
„Wir benötigen deine Hilfe.” Uhuras Stimme klang gewohnt spröde.
„Auch das weiß ich.” Astarte neigte ihr goldbehaartes Haupt. „Ihr
wollt die gefangenen Seelen befreien und das Loch schließen, das irdische
Dummheit in das Universum gebrannt hat. Dafür benötigt ihr den Heiligen
Amethyst und das magische Harz dieses Baumes. Aber nun verratet mir, warum ich
gerade euch den Amethyst anvertrauen soll.”
Saha wusste nicht, woher sie die Sicherheit und gehörige Portion
Kühnheit nahm, aber sie trat vor und verkündete mit fester Stimme. „Weil ich
die Sich-Wandelnde-Frau bin!”
Keuchen erklang.
Sowohl aus Astartes, als auch Uhuras Mund. Das eine erstaunt, das
andere entsetzt. Saha blickte sich nun doch verunsichert um. Barb fing ihren
Hilfe suchenden Blick auf und kam der Freundin zur Hilfe. „Saha hat Recht. Wir
verwandeln uns.” Sie ergriff Sahas Hände und streckte sie zusammen mit ihren
aus. „Sieh nur, Astarte, unsere Hände und ...”
„Ich sehe!”, sagte die Himmelskönigin leise. Dann gab sie
Seraphim ein Zeichen. Das Geschöpf mit dem lieblichen Gesicht schlug einige
Male spielerisch mit den Flügeln. „Hole den Amethyst und ein Behältnis mit
Weihrauch!”, befahl Astarte und Seraphim flog davon.
Uhura hüstelte und warf Saha einen warnenden Blick zu, der so viel
wie Halte jetzt endlich deinen Mund! bedeuten mochte.
Doch Saha übersah ihn geflissentlich. Sie trat einen weiteren
Schritt auf den Thron und Astarte zu. „Wir wollen in die Fünfte Welt. Was ist
nötig, um das Loch zu schließen und in die Dritte Welt zu gelangen?”
„Ihr müsst den Weihrauch entzünden und den Heiligen Amethyst
hineinlegen. Dann werdet ihr sehen.”
Das war nicht gerade eine erschöpfende Auskunft. Saha öffnete den
Mund, aber dieses Mal hielt Uhura sie zurück. „Wir danken dir für deine Hilfe,
Astarte. Wir ...”
Seraphim schwebte zurück. Glitt graziös auf den Boden. In den
Händen hielt er ein Halbschalengefäß mit einem silbern glitzernden Harz, das
einen eigentümlichen Duft verströmte. Darauf lag ein großer, violetter Quarz,
in dem das Sonnenlicht effektvoll reflektierte und raffinierte Farbspiele
einfügte.
„Der Heilige Amethyst”, entfuhr es Uhura ehrfurchtsvoll.
Gleich sinkt sie noch in die Knie, durchzuckte es Saha gehässig.
Sofort schämte sie sich ihres boshaften Gedankens. Dieser neue Charakterzug
gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber so sehr sie auch dagegen ankämpfte, er
flackerte immer wieder auf.
Astarte gab Seraphim ein Zeichen. „Begleite sie. Du weißt, wie
sehr die Trolle bemüht sind, den heiligen Stein in ihre Gewalt zu bekommen.”
Sie gab auch Uhura und Saha ein Zeichen. „Und nun geht, ihr habt nicht mehr
viel Zeit. Das Loch wächst ständig und bald kann es niemand mehr verschließen.”
Sie folgten Seraphim. Schon von Weitem sahen sie, dass Maiitsoh
und sein kleines Grüppchen Mühe hatten, die Trolle in Zaum zu halten.
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