Regency Reality-Show
Informationen dazu einmal heraussuchen. Aber zuerst stelle ich Dich Morton vor, wenn wir schon hier sind. Komm Luvie.“
Morten war ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Zwar war er in korrekter Livree gekleidet, aber er wirkte mit seiner runden Brille eher wie ein alter Professor als wie ein Portier. Sein Kinn war glattrasiert und seine mit vielen blauen Äderchen durchzogene Haut wirkte papieren. Trotz seinem hohen Alter sah er mich aus lebhaften grauen Augen an, denen wohl selten etwas entging.
„Es ist mir eine Ehre, den wichtigsten Mann des Haues kennen zu lernen.“ Freundlich schüttelten wir uns die Hand.
„Die Ehre gebührt mir, Countess.“
„Oh nein, Sie haben wohl auch ferngesehen.“ stöhnte ich.
„Nicht nur, ich habe auch Augen und Ohren im ganzen Haus hier verteilt“, meinte er vieldeutig, ohne eine genauere Erklärung dazu abzugeben. Ein echt spassiger Vogel, dieser Morton.
Unsere Hausbesichtigung führte uns durch ein gemütliches Frühstückszimmer mit einem ovalen Tisch, wo rund acht Personen bequem Platz fanden, durch das gediegene Speisezimmer, dessen lange Tafel wohl seit dem Hausbau vor über fünfhundert Jahren stand und kamen schliesslich zum grossen Ballsaal.
Als ich mich von meiner ersten Verwunderung erholt hatte und zwischen meinen klucksenden Lachern einen zusammenhängenden Satz herausbrachte, wollte ich eine Erklärung für dieses wilde Durcheinander: Da hatte es eine Bowlingbahn, an der einen Wand stand ein Einrad, ein Tischtennistisch nahm einen grossen Bereich in Anspruch, eine Dartscheibe konnte ich erspähen und weiter drüben stand sogar eine Scheibe wie wir sie für die Reality-Show benutzt hatten mit Pfeil und Bogen. Weiter entdeckte ich eine offen stehende Truhe mit Bällen, Springseilen, Federballschlägern und vielen anderen Spielsachen.
„Das ist unser Ballsaal.“
„Ach – und Eure Gäste spielen in den Takten des Streichquartetts Ping-pong“, kommentierte ich trocken.
„Meine Eltern haben uns diesen Raum überlassen als wir Kinder waren und er wird vor allem an Regentagen, die hier eher häufig vorkommen, immer noch rege benutzt. Mum meinte, es sei doch eine Sünde einen so tollen Raum alle paar Jahre für fremde Leute herauszuputzen und ihn in der restlichen Zeit ungenutzt zu lassen. Vehement hatte sie ihre Idee gegenüber meiner Grossmutter damals verteidigt. Ich erinnere mich noch gut. Sie hat gesagt, wir würden hier wohnen und deshalb sei es das Wichtigste, dass wir uns in diesem zuhause wohlfühlten. Es mache in ihren Augen keinen Sinn, den Ballsaal ausschliesslich als solchen zu nutzen. Was hätten wir davon? Die einzigen, die davon profitieren könnten, wären die langweiligen Wichtigtuer, die zum Ball erschienen.“
Ich lachte und konnte mir sehr gut vorstellen, wie sich Cailin für ihre Familie ins Zeug legte.
„Verstanden Deine Grossmutter und Deine Mutter sich nicht besonders?“
„Oh doch. Aber das heisst noch lange nicht, dass sie stets gleicher Meinung waren. Grossmutter hatte in einer ganz andere Epoche gelebt, wo Kinder Gästen höchstens im Sonntaganzug vorgeführt worden waren und die meiste Zeit mit ihren Kindermädchen und Hauslehrern verbrachten. Mum stellte nicht nur mit dieser Idee den Haushalt auf den Kopf.“
„So gesehen, sind beide Frauen zu bewundern.“ kommentierte ich. „Die eine, weil sie sich für etwas einsetzte, woran sie glaubte und die andere, weil sie von ihren alten Vorstellungen Abschied nehmen konnte und sich von den positiven Seiten des Neuen hat überzeugen lassen.“
Ein bewundernder Blick traf mich. Es schien, wir dachten in ähnlichen Bahnen.
Weiter ging die Besichtigungstour. Aber bald schwirrte mir der Kopf. Es gab so viel zu sehen und ich hatte inzwischen vollends die Orientierung verloren.
„Könntest Du mir bitte mein Zimmer zeigen. Ich glaube den Rest müssen wir auf morgen verschieben. Dieses riesige Haus ist zu überwältigend. Die ganze Tour mit den unterschiedlichsten Räumen und all der Angestellten, die Du mir unterwegs vorgestellt hast, ist einfach zu ermüdend. Für heute ziehe ich mich lieber zurück.“
Mein Zimmer war sehr edel. Ein grosses Bett stand an der Wand zwischen den Fenstern und der Betthimmel mit den Vorhängen schien aus blassrosa Samt. Weitere Kleinigkeiten wiesen auf eine klar weibliche Note hin.
„Wem gehört dieses Zimmer? Oder war es schon immer ein Gästezimmer?“
„Keineswegs. Das ist kein Gästezimmer. Diese Räume“, damit vollführte er
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