Regency Reality-Show
eine weit ausholende Geste, die die angrenzenden Zimmer offensichtlich mit einbezog „bewohnte einst meine Grossmutter.“
Wir machten ein paar Schritte in den Raum hinein, damit ich mich ungestört umsehen konnte.
„Du siehst hier das Originalzimmer der Countess of Ayrshire. Bis meine Mum sich geweigert hatte, Grossmutter aus ihren Räumen zu vertreiben, hatte die amtierende Countess während den letzten fünfhundert Jahren stets dieses Zimmer bewohnt. Einige Änderungen – vor allem wegen der modernen Technik – wurden aber von Generation zu Generation vorgenommen. Ursprünglich standen hier höchstens ein, zwei Kommoden, wo nun dieser mehrtürige Schrank die Wand verdeckt. Dafür ist vom ursprünglichen Ankleidezimmer hier drüben nicht mehr viel übrig. Es wurde durch ein modernes Badezimmer ersetzt und nur ein kleiner Teil wird als begehbaren Kleiderschrank genutzt.“
Das Badezimmer war edel. Bestimmt nicht das Neuste – es hatte keine Whirlpool-Wanne oder Dusche mit Regenbrause, aber es war mit allen notwendigen sanitären Anlagen ausgestatten und in Weiss und Gold gehalten. Dieser Raum trennte Welten vom Nachttopf, der nur durch einen Paravent abgeschirmt wurde.
„Durch die Tür am anderen Ende gelangt man in ein kleines privates Wohnzimmer. Inzwischen sind da drüben die modernsten Apparate installiert wie LCD-Fernseher, Computer und natürlich Telefon. Du kannst diesen Raum als eigenes Büro nutzen.“
„Das ist nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte an ein kleines Zimmer mit Etagenbad gedacht und nun wohne ich in einer eigenen kleinen Wohnung.“
„Das ist nichts Aussergewöhnliches. Früher haben wir Geschwister uns ein Zimmer geteilt. Als ich älter wurde, bekam ich meine eigenen Räume und einer nach dem anderen zog aus dem Kinderzimmer aus. Nur Scott wohnt jetzt noch da drin. Der sah keinen Anlass umzuziehen, weil er den grossen Raum jetzt alleine bewohnt. Du musst in den nächsten Tagen alle anderen Räume besichtigen, auch alle unsere Privaträume. Jeder von uns hat seinen vier Wänden seine eigene Note verpasst. Scotts beispielsweise erinnert kaum noch an unsere gemeinsame Zeit, die wir als Kinder dort drin verbracht hatten.“
Die Geschichten der Familie, die in einem Haus gelebt hatte und deren Nachfahren immer noch hier wohnten machten dieses aus und nicht die üppigen Dekorationen und aufgehängten Bilder, wurde mir heute eindeutig klar, denn dieses Haus lebte. Schon jetzt gefiel es mir hier viel besser als im anderen Landhaus, das ich vor wenigen Wochen noch bewohnt hatte. Das hier war keine Kulisse, dies hier war ein Heim.
So gerne ich noch weiteren Familiengeschichten gelauscht hätte, so war ich doch hundemüde und war froh, als Ewan mich schliesslich alleine liess.
Mein Traum in dieser Nacht war wundervoll. Ich träumte, ich läge wieder in Ewans Armen und er streichelte liebevoll meinen Rücken. Als ich am Morgen aufwachte, hätte ich weinen mögen, so ungern liess ich den fantastischen Traum gehen. Doch als ich meine Hand nach dem Kopfkissen neben mir ausstreckte, war dieses warm. Versonnen drückte ich mein Gesicht hinein und liess meine Gedanken zu meinem Adonis wandern. Leise flüsterte ich:
„Vielleicht hängt Dein Vater doch mehr an uns, als ich dachte, kleiner Wurm.“
Kapitel 19
„Vater, ich werde mit ihm tanzen und wenn der Song zu Ende ist, gibst Du unsere Verlobung bekannt, noch bevor wir die Tanzfläche verlassen haben.“
Ihr Plan war einfach. Wenn erst einmal alle einflussreichen Gäste, die zum Ball kommen würden wussten, dass der Earl und sie heiraten würden, könnte dieser keinen Rückzieher mehr machen, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Das war perfekt. Zu Weihnachten würden sie dann heiraten. Bei diesem Gedanken lächelte sie.
***
Vor dem Frühstück holte mich Morag ab. Ich war froh über ihre Begleitung. Die weitläufigen Hallen und verwinkelten Korridore wirkten wie ein Labyrinth auf mich.
Die gesamte Familie war um den Tisch versammelt, als wir eintraten. Als erstes begrüsste ich Ewans Mum mit einem Kopfnicken: „Guten Morgen, My Lady“
Diese lachte laut auf und bemerkte: „Wo bleibt der höfische Knicks.“
Ich war völlig verdattert und knickste gehorsam, worauf sie nur noch lauter lachte.
„Die Titel werden zwar noch weiter vererbt, aber kaum noch benutzt. Keines Falls wird man im Alltag damit angesprochen. Mein Mann hatte in seltenen Fällen seinen Titel hervorgekehrt, um
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