Regency Reality-Show
einpacken. Erst kürzlich habe ich meine Garderobe erneuert, weil ich kaum Kleider mit nach England gebracht hatte. Nun will ich nicht schon wieder alles neu kaufen müssen. Das wäre wahre Verschwendung.“
„Du könntest Kleider von Mutter und Morag borgen.“ wandte Scott ein.
Ich hob fragend eine Augenbraue. „Denkst Du wirklich, dass mir etwas davon passen könnte?“
Nun wirkte er fast verlegen. Angestrengt musterte er mich von Kopf bis Fuss und meinte schliesslich: „Die Kleider von Morags Puppe könnten passen.“ Ich boxte spielerisch ihn auf seinen Oberarm. „Och, wenn Du mich so weit oben schlagen kannst, bist Du vielleicht doch ein paar Zentimeter grösser als ich gedacht hatte, Zwerg.“
Als er bemerkte, wie ich auf eines seiner Ohren starrte, grinste er breit und wackelte damit – schliesslich war dieses Ritual ein Teil des Kosenamens.
„Also fahren wir erst kurz nach Hause. Ihr könnt gerne mitkommen. Ich brauche nicht lange.“
Während der Fahrt in Grossvaters Limousine wollte Cailin wissen, wie mein alter Herr mich mit nur einem kurzen Gespräch hatte umstimmen können. Sie wunderte sich, weil ich wie ausgewechselt wirkte.
„Na“, gab ich breitspurig Antwort „wussten Sie nicht, dass Grossvater seinen Milliardenkonzern aus dem Nichts aufgebaut hat? Wie denken Sie, hat er das geschafft – der Mann kann Berge versetzen. Sie haben ihn kennen gelernt, wenn der sagt: spring, dann fragt man höchsten: wie hoch. So gesehen konnte ich mich seinem Wunsch, oder sollte ich sagen, seiner Herausforderung einfach nicht widersetzen.“
„Ach Scott, dass uns das nicht eingefallen war, wir wussten doch, dass sie eine persönliche Kampfansage nie unbeantwortet lassen kann. Einer Herausforderung scheint sie nicht widerstehen zu können. Gut, dass der olle Tobler daran gedacht hat.“
Dann fuhr sie an mich gewandt fort: „Sie mögen ihn sehr, nicht wahr?“
„Es ist vielleicht etwas komisch für einen Aussenstehenden, aber er ist mir echt ans Herz gewachsen. Was soll ich sagen, er ist meine Familie.“
„Ja, das verstehe ich, vielleicht besser, als Sie ahnen.“
***
Es waren dann doch ein paar Minuten mehr notwendig, um meine Sachen zusammenzutragen und reisefertig einzupacken. Scott, Cailin und sogar Fred, der Fahrer halfen tatkräftig mit und schliesslich fuhren wir Richtung Flugplatz. Als wir direkt auf ein kleines Rollfeld zuhielten, wo eine Privatmaschine stand, dachte ich, Grossvater hätte für unseren Transport gesorgt. Doch Scott erklärte: „Das ist unser Pferdetransporter. Aber ein paar Sitze für Passagiere hat’s auch. Pass auf Zwerg, wenn Du Dich nicht benimmst, stecken wir Dich in eine Pferdebox.“
Es war vergnüglich. Erst jetzt wurde mir klar, dass mir nicht nur Ewan sondern auch all seine Geschwister gefehlt hatten und ich freute mich, mit der gesamten Familie zusammen zu sein. Dies geschah übrigens eher, als ich gedacht hatte. Scott fasste mich mit festem Griff um die Taille und half mir so beim Einsteigen. Als er mich oben nicht wieder losliess, wurde mir klar, dass es weniger ein Helfen als ein mich Festhalten war, damit ich nicht rechts umkehrt machte, denn in der Maschine sassen nicht nur Grant und Morag, da war auch Ewan. Noch hatte ich mich nicht für unser Wiedersehen gewappnet und war völlig überfordert. Ohne Scotts eisernen Griff hätten meine Beine bestimmt nachgegeben.
„Komm her, Luvie. Hab keine Angst, Lassie.“ Bei dieser Begrüssung schmolz mein Herz dahin. In Gedanken war ich mit ihm im Bett und kuschelte mich an ihn. Ein tiefer Seufzer entfuhr mir, den alle Passagiere zu hören schienen.
„Nimm sie lieber, bevor sie mir zwischen den Händen davon schmilzt.“ Damit reicht Scott mich an Ewan weiter, der mich prompt auf seinen Schoss zog.
„Wo hast Du bloss die ganze Zeit gesteckt. Du warst schwerer zu erreichen als der amerikanische Präsident.“ flüsterte er entrüstet und küsste die Vertiefung hinter meinem linken Ohr.
„Du siehst zum Fürchten aus – die schottische Landluft wird Dir gut tun.“ meinte er mit gerunzelter Stirn.
„Das kann ich mir schlecht vorstellen, wenn ich Dich so anschaue, hast Du auch schon fitter gewirkt.“ konterte ich mit Besorgnis in der Stimme.
„Ist es wahr, dass Dein Vater gestorben ist?“ wir waren vollkommen aufeinander fixiert und hatten die anderen um uns vergessen.
„Ja, er hatte einen tödlichen Unfall, als Du auf der Intensivstation lagst. Ich habe fast drei Tage im Spital ausgeharrt
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