Regency Reality-Show
wichtigtuerische Geschäftsherren in ihre Schranken zu weisen oder jemand Unsympathisches einzuschüchtern. – Nenn‘ mich einfach Cailin oder Mum, wie wir in London vereinbart haben.“
Bald sass ich vor einer dampfenden Tasse Kaffee, einem Stapel Pancakes und einer Ladung Würstchen.
„Charlotte, unsere Köchin, wusste nicht, was Du gerne magst. Sie wollte etwas besonders Gutes für Dich zum Frühstück machen.“ entschuldigte sich Cailin, als sie bemerkte wie ich angeekelt auf meinen Teller starrte.
„Zuhause esse ich für gewöhnlich Brot mit Marmelade. Aber das hier ist toll. Es ist bloss – seit dem Spitalaufenthalt habe ich etwas Mühe mit meinem Appetit. Er scheint sich nur schwer wieder einstellen zu wollen.“
Als mir der Geruch der Würstchen in die Nase stieg, merkte ich, wie mir die Galle hochkam. Mein Stuhl kippte um, so ungestüm erhob ich mich und rannte aus dem Zimmer, eine Hand vor den Mund gepresst. Wo war bloss das nächst gelegene Badezimmer? In wilder Panik eilte ich in Richtung Haupttreppe, doch es war zu spät, ich übergab mich laut würgend mitten im Gang. Eine Hand griff sanft nach meinem Ellenbogen und führte mich an zwei Türen vorbei zu einem Waschtisch. Dort spülte ich mir den Mund aus, wusch mein Gesicht und sah in den Spiegel – Morag.
„Danke. Das ist mir furchtbar peinlich. Ich werde es gleich wegwischen.“
„Geht es wieder? Willst Du lieber auf Dein Zimmer und Dich hinlegen, oder willst Du zurück zum Frühstück? Um alles andere mach Dir keine Sorge, das wurde längst wieder sauber gemacht.“
„Wenn ich einfach nur einen Tee und ein Stück Brot haben könnte, das wäre toll – nur bitte im Moment keine Würstchen, da dreht sich mir der Magen um.“
Die anderen waren Mitten in einer heftigen Diskussion, als wir beide zurückkamen. Ich war froh, dass niemand mir Beachtung schenkte und mir die Peinlichkeit erspart blieb, von dem unangenehmen Vorfall zu erzählen.
„Vaters Tod ist noch so frisch, da werden alle verstehen, wenn wir nicht hingehen. Ich würde auch sonst nicht hingehen wollen – Ihr etwa?“ Herausfordernd sah Scott in die Runde.
„Wohin?“ fragte Morag, während sie ihren Kaffee umrührte.
„Zur Abendgala der Moores.“ stöhnte Grant.
Cailin setzte mich über den Sachverhalt in Kenntnis: Die Familie Moore war eine der reicheren Familien in der Gegend. Vor drei Generationen hatten sie ein heruntergekommenes Herrschaftshaus gekauft und wunderschön renoviert. Landbesitz hatten sie keinen und wohnten normalerweise nur in den Sommermonaten in der Gegend. Viel öfter waren sie in London und anderen Metropolen anzutreffen, immer auf der Suche nach dem perfekten Geschäftsabschluss. Vergangene Generationen waren den Gerüchten zufolge erfolgreicher gewesen in ihren Geschäftspraktiken.
Nun hatte diese Familie Moore zu einem Ball eingeladen. Sie nahmen die Regency Reality-Show als Anlass, in ihrem Ballsaal einen Tanzabend wie in alten Zeiten durchzuführen. Einerseits wurden die Lords über das Gebiet Ayrshire dort erwartet, weil es sich gehörte, dass man sich unter seine Leute mischte – das Moore-Anwesen lag in Ayrshire-Gebiet – andererseits wollten die Leute natürlich die Geschwister Mclean sehen, weil kaum jemand die Sendungen verpasst hatte, in denen diese zu sehen gewesen waren.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand von Euch erwartet, Euch lachend unter Partygäste zu mischen, wenn Ihr noch mitten in der Trauerzeit seid.“ Allein die Idee fand ich lachhaft. Die hatten vielleicht Nerven, überhaupt eine Einladung zu schicken! Ich empörte mich glatt im Namen der ganzen Familie.
„Ist es nicht rührend, wie sie sich für uns stark macht?“ Ewan drückte meine Hand. „Aber ich denke, dass wir trotzdem hingehen sollten. Wir sind zu einflussreich, als dass wir Schwäche zeigen dürfen.“
„Das ist ein Witz, oder? Jeder Mensch braucht Zeit zum Trauern, Zeit einen solchen Schicksalsschlag zu verdauen und auch Zeit, um alles zu ordnen.“
„Ich habe eine ganz persönliche Frage an Dich: Du hast vor vier Jahren auf einen Schlag beide Eltern verloren. Was besonders schwer wiegt, ist die Tatsache, dass sie Deine einzigen Verwandten waren.“ Er liess diesen Gedanken einsinken „Was hast Du kurz nach der Beerdigung getan. Hast Du Dich in Dein Schneckenhaus zurückgezogen und still getrauert?“
„Nein“, flüsterte ich mit Tränen erstickter Stimme, die Erinnerungen kamen wie ein erdrückender Schlag zurück. „Ich hatte
Weitere Kostenlose Bücher