Regenprinzessin (German Edition)
Fehler, der den bedächtigen Hausmädchen sonst nicht unterlaufen wäre.
Ein Strauß gelber Lilien stand auf dem Schminktisch und verströmte einen angenehmen Duft. Ich trat an den Tisch heran und schaute in den Spiegel. Auch wenn ich zuvor der Meinung gewesen war, nicht wissen zu wollen, wie schlimm ich aussah, hatte die Neugier bei all den erschrockenen Blicken letztendlich obsiegt.
Der Riss in meiner Unterlippe war immerhin kaum zu sehen, die Schwellungen dagegen umso mehr. Die linke Wange, die Vater geschlagen hatte, war stark gerötet und fiel weniger auf als meine rechte Schläfe mit der ich auf den Fußboden aufgeschlagen war. Sowohl die Schläfe als auch die darunter liegende Wange waren ein einziger dunkler Fleck, dessen Farbe von blau zu lila fließend überging. Es sah aus als hätte ich eine gehörige Tracht Prügel hinter mir und nicht nur einen Schlag.
Hinter mir hörte ich angestrengtes Schnaufen. Im Spiegel sah ich die zwei Halbwüchsigen, die eine der wuchtigen Kisten hoch geschleppt hatten. Sie sahen sich suchend um und schienen sich nicht zu trauen mich anzusprechen.
„Stellt sie einfach auf den Boden.“, sagte ich ohne mich zu ihnen umzudrehen. Ich studierte weiter mein Gesicht.
Die beiden kamen meiner Aufforderung nur zu gern nach. Sie trugen die Truhe in eine Ecke und setzten sie vorsichtig ab. Hinter ihnen wartete schon das nächste Paar.
Ich war meinen Anblick bald leid und ging hinüber zum Fenster. In einiger Entfernung sah ich ein paar Felder, die zu den Bauernhöfen in der Nähe gehörten. Direkt um das Anwesen herum waren jedoch nur Wiesen und Wald. Dort würde ich mich vermutlich die nächsten Tage aufhalten, so hatte ich vor den anderen einen Grund mit Van zusammen zu sein, schließlich musste er auf mich aufpassen, wenn ich durch den Wald spazieren wollte. Und das wollte ich auf jeden Fall. Schnellstmöglich wollte ich unsere weiteren Schritte mit ihm planen und von hier verschwinden.
Endlich waren alle Truhen im Zimmer und ich hatte meine Ruhe. Ich ging zur Tür herüber, um sie zu schließen. Ich drückte sie zu und wollte abschließen. Beim Anblick des Schlosses stockte ich. Es steckte kein Schlüssel in dem Zylinder. Ich öffnete die Tür wieder und schaute auf der anderen Seite nach. Auch hier war er nicht.
Mit einer bösen Vorahnung schloss ich die Tür und durchstöberte das Zimmer. Auf keinem der Tische oder Schränke konnte ich den Zimmerschlüssel entdecken. Er war auch in keiner der Schubladen.
Das konnte nur bedeuten, dass Vater in seinen Anordnungen für das Personal dafür gesorgt hatte, dass er mir weggenommen worden war.
Na wunderbar, dahin war die Privatsphäre. So konnte ich Van unmöglich mit auf mein Zimmer nehmen. Viel zu leicht könnte jemand etwas von mir wollen und ich hätte keine Möglichkeit Van schnell genug zu verstecken, erstrecht nicht lautlos.
Frustriert schlug ich mit der flachen Hand auf den Nachtschrank, den ich als letztes untersucht hatte und fluchte leise vor mich hin.
Die Tür schwang mit einem leisen Knarren auf und jemand betrat mein Zimmer. Erschrocken hielt ich inne und hörte mit dem Fluchen auf. Auf dem Boden hockend drehte ich mich zu dem Eindringling um. Niemand betrat meine Zimmer ohne nicht wenigstens anzuklopfen, geschweige denn zusätzlich darauf zu warten bis ich sie herein ließ. Niemand außer Van. Was er vermutlich nicht so bald wagen würde, schon gar nicht am helllichten Tag, wenn alle noch mit unserer Ankunft beschäftigt waren.
Die Hebamme stand hinter mir und blickte von oben auf mich herab. Empört rappelte ich mich hoch und warf ihr meinen finstersten Blick zu. „Wie könnt Ihr es wagen, einfach einzutreten und nicht einmal vorher an die Tür zu klopfen?“
Sie starrte kalt zurück, nicht im Mindesten eingeschüchtert. „Euer Vater hat mich instruiert genau so Euer Zimmer zu betreten, wenn Euch das missfällt, müsst Ihr Euch wohl bei ihm beschweren.“
Ihr gelassener Tonfall machte mich nur umso wütender. Erst nahm man mir den Schlüssel und nun spazierte jeder hier hinein wie er mochte. Im Moment konnte ich es nicht ändern, es sei denn ich bekäme den Schlüssel in die Finger.
„Was wollt Ihr?“
„Mich über den Stand Eurer Schwangerschaft informieren.“
Mein Blick wurde schmal. „Wozu?“
Meine Frage schien sie tatsächlich zu amüsieren. Sie lächelte mehr oder weniger, was ihren Gesichtsausdruck auch nicht freundlicher machte. „Ich bin Eure Hebamme und muss wissen, wie es Euch und dem
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