Regenprinzessin (German Edition)
Luft herein.
„Wovon sprichst du, Vater? Ich kann dir nicht folgen.“ Sein Verhalten ängstigte mich ein wenig.
„Bisher hast du fast ausschließlich die schöpferische Seite deiner Gabe eingesetzt. Heute werde ich dir die andere Seite zeigen, damit du mit ihr umzugehen lernst.“
„Welche andere Seite?“ Ich schluckte schwer und ahnte bereits in welche Richtung sich das ganze hier entwickeln würde.
„Die zerstörerische Seite, die dir innewohnt. Jedem von unserer Familie. Sowie der schöpferische Teil, ist auch der zerstörende Teil in dir am stärksten ausgeprägt. Bisher war es nicht nötig, dass du dich mit ihm befassen musstest und ich hoffte, es würde so bleiben. Die letzten Wochen zeigten jedoch, wie dringend notwendig es ist, dass du lernst dich mit deiner Gabe zu schützen. Du hast von selbst schon die ersten Schritte in diese Richtung gesetzt, aber gegen das, was ich dir gleich zeige, sind deine bisherigen Unternehmungen wenig effektiv, noch dazu kraftraubend.“ Er machte eine Pause und holte tief Luft bevor er fortfuhr. Ich war wie erstarrt und wartete auf weitere Erklärungen.
„Wer über das Wasser herrscht, hält das Leben selbst in der Hand. Wenn man es herbeiruft, so wie wir es tun, um auf dieser Insel leben zu können, haucht man dem Land selbst Leben ein und ermöglicht es so auch den Menschen. Entzieht man es wiederum, entzieht man auch das Leben. Das ist es, was wir nun tun werden.“ Vater deutete auf die Wand, an der die Blumentöpfe standen und stellte sich neben mich. Ich drehte mich vollends um, sodass wir beide nebeneinander die kleinen Palmen im Blick hatten.
„Such dir eine von den Palmen aus und konzentriere dich auf sie. Erfühle das Wasser in ihren Fasern.“
Ich war bisher nie auf die Idee gekommen meine Gabe auf ein Lebewesen auszuwerfen. Ich versuchte es und in der Tat konnte ich das Wasser in Stamm, Blättern und sogar den Wurzeln spüren.
„Fühlst du es?“ Vaters Stimme war ruhig, in diesem Augenblick war er voll und ganz mein Lehrer, nicht mehr, nicht weniger.
„Ja.“
„Zieh es zu dir.“, forderte er nun.
Ich zögerte einen Moment, aber dann versuchte ich es. Langsam floss das Wasser aus der Palme heraus. Verblüffung machte sich auf meinem Gesicht breit, ich hatte nicht gedacht, dass es so einfach wäre. Auf ein ermunterndes Nicken meines Vaters hin, konzentrierte ich mich noch stärker und immer mehr Wasser floss zu der Kugel, die ich vor der Palme sammelte. In Sekundenschnelle begannen die Blätter leblos herunterzuhängen und nun wurde die Oberfläche des Stamms runzlig. Die Kugel hatte eine beachtliche Größe und ich konnte kein Wasser mehr in der Palme spüren. Ich hatte sie ausgetrocknet.
Mein Vater legte seine Hand auf meinen Rücken. „Das hast du gut gemacht.“, sagte er leise. „Aber einmal einem Lebewesen entzogen, bleibt das Gewebe tot. Es nützt nichts würdest du versuchen das entzogene Wasser der Pflanze wieder zuzuführen. Tot ist tot und sie bleibt tot, es ist notwendig, dass du das begreifst. Daher ist es wichtig, dass du dir genau überlegst, wann du diesen Teil deiner Gabe nutzt.“
Ich nickte, das Palmengerippe sprach für sich.
„Dies ist der erste Teil, von dem, was ich dir heute zeigen werde. Schick das Wasser durch das Fenster hinaus und mach das gleiche bei der nächsten Pflanze. Versuch es dieses Mal schneller zu machen.“
„Ist gut.“ Ich atmete tief durch, ließ die Kugel, die immer noch im Raum schwebte, langsam aus dem Fenster gleiten und nahm mir die nächste Palme vor.
Ich spürte das Wasser und begann es herauszuziehen. Jetzt war ich schon schneller. Sobald ich mit dieser Palme fertig war, sah ich zu meinem Vater herüber. Er sah einerseits zufrieden, aber andererseits auch unglücklich aus.
„Was nun?“
„Mach weiter wie bisher, um ein Gefühl dafür zu bekommen.“
Nickend ließ ich die zweite Kugel aus dem Saal schweben. Bevor ich mit der nächsten Palme weitermachte, gab Vater mir noch einen Rat.
„Versuch nicht daran zu denken, dass es ein Lebewesen ist, spüre nur das Wasser und zieh es zu dir. Mit ein wenig Übung wirst du in der Lage sein, es innerhalb eines Sekundenbruchteils zu bewerkstelligen.“
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Ich schickte meine Gabe aus und wusste, wo sich welches Lebewesen im Saal befand. Auf eine weitere Palme konzentriert, riss ich das Wasser ruckartig zu mir. Überrascht keuchte ich auf, auch Vater machte ein verdutztes Geräusch. Ich konnte die
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