Regina schafft es doch
nicht um Geld. Man verkauft nicht seine Ideale um Geld. Ich tue es jedenfalls nicht. Ich lasse nicht mit mir handeln!“
„Um Ihr künstlerisches Gewissen, meinen Sie.“
„Ja, das meine ich.“
Er nickte vor sich hin.
„Alle Achtung, Regina!“
Da lächelte sie, und es war ein befreites, ehrliches Lächeln.
„Nun verstehe ich“, sagte Gert langsam. „Nun verstehe ich, warum Sie gestern meine Hand drücken wollten. Was ich über Ihre Kunst sagte, war ja ins Schwarze getroffen.“
„Es war so sehr ins Schwarze getroffen, daß es beinahe weh tat. So sehr, daß ich heulen mußte. Es ist so unglaublich, daß man plötzlich einem Menschen begegnet, der einen so bis auf den Grund begreift.“
Er legte den Arm um ihre Schultern.
„Seltsames kleines Mädel.“
Sonnen- und Schattenflecke tanzten auf dem Grase und auf ihren Gesichtern, wenn der Sommerwind durch das Birkenlaub fuhr. Die Insekten summten, es war Sommer.
„Wissen Sie, Regina“, sagte Gert langsam, „dieser Augenblick jetzt – der hat etwas an sich, was gut zu Ihnen paßt.“
„Was meinen Sie damit?“
„Hier sitzen wir, zwei Menschen, die eine unbegreifliche Sympathie füreinander fühlen, nicht wahr, das stimmt doch? Von Ihrem Leben weiß ich wenig. Aber ich für meine Person, ich habe schon manches junge Mädchen geküßt, und kenne genau diese atemberaubende Spannung, Mondschein oder ein Abend mit Tanz und Alkohol oder eine Schummerstunde vorm Kamin. Immer etwas mit Abend und Dunkelheit und einem Glas Wein. Aber Sie, Regina, Sie sitzen hier mit Ihren ehrlichen Augen und Ihrer ehrlichen Gesinnung, mitten in der hellen, klaren Sonne – und die darf uns ruhig sehen, sie darf getrost auf uns niederscheinen, auf dich und mich, Regina.“
Sein Gesicht neigte sich über das ihre, und er küßte sie unter dem blauen Sommerhimmel.
Zwei Überraschungen an einem Tag
„Ach, Regina! Wie mich das freut!“ Katrins Augen leuchteten, und sie preßte Reginas Hände. „Wie herrlich ist das alles! Klar, daß ich dir mit dem Brand und mit dem Färben helfe. Was glaubst du, wozu du mich hast? Du kannst auch hin und wieder ein Stündchen mit Birgit zusammen arbeiten, so kommst du wieder ein bißchen in die Technik ‘rein.“
„Ja, weißt du, ich habe das seit Kopenhagen nicht mehr gemacht. Man vergißt so schnell, wenn man nicht in Übung bleibt.“
„Wir werden deinem Gedächtnis schon nachhelfen, mein Liebling. Möchtest du was essen? Hast du heute mittag gegessen?“
„Hm, ja und nein.“
„Aha, Butterbrot und ein weiches Ei auf dem Zeichentisch. Ich kenne dich.“
„O nein, haufenweise Semmeln mit dicker Butter und mit Schinken und Wurst und italienischem Salat und…“
„Hast du geerbt?“
„Gar nicht. Aber ich kenne doch eine Brotfabrik!“
„Aha, jetzt geht mir ein Licht auf. Du hast wirklich Dusel! Aber eine Tasse Tee trinkst du immerhin? Mami wurstelt schon in der Küche, sie kennt ihre Tochter; wenn es auf halb vier geht, dann ist der Teedurst nicht mehr zu bändigen. Warte mal, schau dir deine Kunstwerke an – der Brand ist besonders fein, sag selbst, ob ich deine Figuren nicht gut behandle?“
Katrin holte die drei kleinen Figuren von einem Wandbord herunter. Sie hatte recht. Der Brand war untadelig.
„Du behandelst mich auch gut. Überhaupt alle – nur dich selbst nicht.“
„Fang jetzt bloß nicht wieder an, du Quengelliese. Komm, wir wollen die Figuren in den Korb packen, dann kannst du damit gleich von hier aus zu Mortensen fahren. Ist ja möglich, daß die auch bei Herrn Eimer landen. Hast du übrigens inzwischen auch seinen Sohn kennengelernt, der, von dem ich erzählte…?“
„Ja“, sagte Regina.
Beim Ton ihrer Stimme blickte Katrin von den Figuren hoch.
„Aha!“ sagte sie. „Mir schwant etwas! Erzähl mal! Mir war doch die ganze Zeit so, als liege so irgendwie ein – ja, wie nennt man das doch gleich – ein ,Schimmer der Verklärung’ über dir. Also, wie ist er? Aufregend?“
Reginas Blick wurde ganz fern.
„Nein“, sagte sie zögernd. „Nicht, was du aufregend nennen würdest. Aber er ist – er ist…“
„Na, was?“
„Er ist so ehrlich“, sagte Regina schließlich. Sie fand keinen besseren Ausdruck für das, was sie meinte.
„Das ist nun wirklich nicht die schlechteste Eigenschaft an einem Menschen. Erzähl noch ‘n bißchen!“
„Da ist gar nichts weiter zu erzählen – noch nicht…“, sagte Regina.
„Noch nicht, ist gut!“
„Katrin, ich kenne ihn doch erst
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