Regina schafft es doch
ein schlechter Kamerad, wenn ich dir nicht raten würde, zu reisen.“
Ein mattes kleines Lächeln erschien auf Reginas Gesicht.
„Möglich, daß du ein Biest sein kannst, Katrin, das weiß ich nicht – aber ein schlechter Kamerad kannst du niemals werden!“
„Gib es mir schriftlich“, sagte Katrin trocken. „Nun höre her, du Dummerle. Du sitzt doch nicht etwa da und überlegst noch? Wenn du hierhergesaust kommst, um mir den Brief zu zeigen, so sollte das doch wohl bedeuten, daß du meine Meinung hören wolltest? Höre zu, Regina: Erstens mußt du aus der Stadt weg! Es ist für dich einfach viel zu schmerzlich, in deinem Atelier ‘rumzulaufen und in den vertrauten Straßen hier, wo alles prall von Erinnerungen ist.“
In Reginas Gesicht zuckte es, aber sie sagte nichts.
„Und Regina – denk doch auch daran, was es für dich bedeutet, feste Arbeit zu haben und ein festes Gehalt! Gehalt, Regina!! Das hast du noch nie in deinem Leben gehabt, nicht mal bei deinen Lehrer-Vertretungen!“
„Nein – das ist wohl wahr…“
„Ja, worauf zum Kuckuck, lauerst du dann noch? Was hast du für Bedenken, möchte ich wissen, du Hühnchen?“
Regina mußte ein ganz klein wenig lächeln.
„Erstens wegen meiner Wettbewerbsarbeit.“
„Das Kind ist doch fertig, hast du gesagt.“
„Die Figur muß aber noch gegossen werden, Katrin. Hast du nicht die Wettbewerbsbedingungen gelesen? Eine Miniatur in Gips – nicht unter dreißig Zentimeter hoch – , mein Kind ist nebenbei bemerkt fünfunddreißig.“
„Könntest du dir nicht vorstellen, daß ich imstande wäre, fünfunddreißig Zentimeter Ton für dich zu gießen, du Affe?“
„Ja, Katrin, aber du sollst doch nicht…“
„Doch. Genau das soll ich nämlich. Bring mir das Kind her, und ich werde den Bengel so liebevoll behandeln, als wäre es mein ehelich geborener. Schreib den berühmten, verschlossenen Namenszettel aus mit Kennwort und allem Drum und Dran, dann schicke ich den Jungen auch für dich ein. Wäre sonst noch was zu erledigen?“
„Katrin, du bist einmalig!“
„Jaja, das bin ich. Das sagt Mami auch. Ich fühle, wie mir die Flügel wachsen. Nun gut, hast du sonst noch Einwände zu machen?“
„Ja – Katrin – , aber wie soll ich dir das erklären… Du willst nur mein Bestes, das weiß ich. Aber du denkst die ganze Zeit nur an – ja an den Menschen in mir, und nicht…“
„… nicht an die Künstlerin, meinst du?“
Katrin wurde mit einem Male ernst. Sie stand auf, ging zu Regina hin und legte beide Hände auf deren Schultern. Katrins offenes, fröhliches, liebes Gesicht war voller Güte.
„Regina, höre zu. Es ist der Mensch in dir, der jetzt Hilfe braucht. Die Künstlerin kommt allein durch. Aber du hast nicht das Recht, den Menschen Regina Frank verkommen zu lassen aus lauter Rücksicht auf den Künstler gleichen Namens. Du hast einen furchtbaren seelischen Schock bekommen, Regina – und du hast das tapfer getragen. Ich bewundere dich mehr, als ich sagen kann. Aber du solltest dich mal selber im Spiegel ansehen. Du bestehst nur noch aus Haut und Knochen und Augen. Du mußt hier weg, Regina, du mußt in eine neue Umgebung, du mußt eine feste Arbeitszeit Haben, die dich dazu zwingt, ein regelmäßiges Leben zu führen. Du mußt viel um die Ohren haben, und du mußt mal die Ruhe kennenlernen, die man bekommt, wenn einem an jedem Monatsersten eine bestimmte Summe ausgezahlt wird und man nicht schlaflose Nächte haben und überlegen muß, woher man am nächsten Ersten die Miete nehmen soll. Nun weiß ich, was du sagen möchtest: Du hast keine Lust, dazusitzen und niedliche Muschikätzchen auf Aschenbecherränder zu setzen oder dutzendweise Bambis. Zu diesen deinen Einwänden wäre einiges zu sagen, aber es hat keinen Zweck, da bist du so bockbeinig, daß man sich die Zähne an dir ausbeißt. Laß sich die Künstlerin in dir dafür ruhig mal erniedrigen, indem sie Muschikätzchen und Bambis macht – im übrigen ist es keine Erniedrigung! Eine gute Porzellanplastik kann vollwertige Kunst sein, auch wenn die rein technischen Dinge fabrikmäßig gemacht werden. Merk dir das, du Trotzkopf! Aber, um auf die Sache zurückzukommen: Laß die Künstlerin drei Monate lang nur Gutes für den Menschen Regina Frank tun. Der hat es bitter nötig, wieder in die Reihe zu kommen, will ich dir mal sagen.“
Regina blickte in Katrins Gesicht, und ihre Stimme war leise und ganz rauh, als sie sagte: „Der Mensch in mir macht sich nicht das leiseste
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