Regina schafft es doch
recht, es war das Handwerkliche, woran es bei ihr haperte. Wenn sie doch einmal lernen könnte, selber in Bronze zu gießen! Oder wenn sie mal einen Marmorblock mit Hammer und Meißel bearbeiten und aus dem toten Stein lebendige Kunst heraushauen könnte!
Weit weg fahren – in eine neue Umgebung und zu neuen Menschen. Seit sie aus Kopenhagen zurückgekommen war, hatte sie ganz für sich gelebt. Verwandte hatte sie ja nicht – nur eine Tante und in Dänemark ein paar Kusinen, und mit denen hatte sie gar keine Verbindung weiter – außer den nichtssagenden Weihnachtskarten. Und Freunde? Ja, sie hatte natürlich in der Schule ein paar Freundinnen gehabt – aber die waren verheiratet und hatten genug mit sich selber zu tun. Und die Jahre in Kopenhagen hatten sie ganz auseinandergebracht. Außerdem, wenn man so spartanisch leben mußte, wie sie es in den letzten Jahren getan hatte, dann blieb nichts übrig für Geselligkeit.
Regina hatte genug an ihrer Arbeit gehabt, an der Arbeit, die sie ausfüllte und alle ihre Gedanken beschäftigte. In einer Arbeit, in der sie ganz ihren eigenen Weg ging, taub für den Rat und die Meinung anderer. „Starrköpfig und konsequent“, sagte Katrin. Ja, da war was dran. Aber so war sie nun mal.
Sie war ein Trotzkopf, aber ein ehrlicher Trotzkopf. Und wenn sie sich für etwas einsetzte, dann tat sie es aus ganzer Kraft.
Sie war als Freund wie aus einem Guß, das wußte sie. Sie hatte Katrin gern und war in ihrer Freundschaft treu.
Und als die Liebe in ihr Dasein trat – ja, da war sie auch aus einem Guß und ohne alle Vorbehalte und „hundertprozentig“.
Darum waren aber auch der Kummer und die Enttäuschung – hundertprozentig.
Sie packte ihre kleinen Figuren sorgsam in einen Koffer. Und dann suchte sie ein Heft heraus, in dem die wichtigsten Zugverbindungen standen.
Morgen früh um zehn Uhr ging ein Zug nach Kattenbüttel. Den würde sie nehmen.
„Keine Post für mich?“
Die Worte sagte in einem unbeholfenen Dänisch ein junger Mann. Er war eben in die Pension zurückgekommen.
„Nein, Herr Eimer, leider nicht!“
Gert biß sich auf die Unterlippe. Weshalb in aller Welt schrieb sie nicht? Wenn sie doch nur irgend etwas von sich hören lassen wollte, und wenn es Vorwürfe wären – nur ein paar Worte, nur ein Lebenszeichen. War Regina denn so sehr beleidigt? Ihr Zusammensein war ungetrübt und harmonisch gewesen, heiter und glücklich. Und diese erste Schwierigkeit – die war doch so geringfügig, so lächerlich klein. Daß er ein einziges Mal zu einer kleinen Notlüge seine Zuflucht genommen hatte – na schön. Regina war wahrheitsliebend bis zur äußersten Konsequenz, aber deswegen könnte sie doch ein wenig Verständnis haben, ein wenig Nachsicht!
Gert war in sein Zimmer gekommen. Er setzte sich, zündete sich eine Zigarette an, überlegte weiter. Dann nahm er Briefpapier zur Hand, setzte sich an den kleinen Schreibtisch, überlegte lange.
Er haßte das Briefschreiben. Schon in der Schule war es so gewesen. Seine Aufsätze waren trocken, kurz und phantasielos gewesen, gar oft hatte der Lehrer über sie den Kopf geschüttelt.
Und jetzt lang und ausführlich schreiben zu müssen, an eine Frau schreiben zu müssen, die er gern hatte, ihr etwas erklären zu müssen, was im Grunde so schwierig zu erklären war – und wenn es sich noch so sehr um eine Belanglosigkeit handelte –, Gert schob mit einer müden Handbewegung den Briefblock zurück.
Nein. War sie gekränkt, dann mußte sie Zeit haben. Mußte von selbst zur Vernunft kommen.
Aber tief in Gerts Innerem saß eine brennende kleine Enttäuschung. Daß Regina wirklich so war – daß sie so furchtbar wenig Nachsicht üben konnte, daß sie maulte wie ein kleines Kind! Ja, denn dies war wirklich nichts anderes als maulen.
Wenn sie – wenn sie nun krank war? Nein, ausgeschlossen. Dann hätte sie Katrin gebeten, zu schreiben.
Nein. Er wollte noch eine Woche warten. Wenn Regina dann noch immer nichts von sich hören ließ, wollte er an Katrin schreiben und fragen, was los sei.
Gert war müde. Er war müde von der anstrengenden Arbeit und von der Mühe, eine neue, schwierige Sprache lernen zu müssen. Wäre er doch lieber nach Paris oder London gegangen! Englisch und Französisch hatte er doch in der Schule gelernt!
Im Augenblick war sein Dasein nicht gerade erheiternd.
Wie heilsam eine neue Umgebung ist
Regina hört, wie hinter ihr die Tür aufging. Sie drehte sich auf dem Hocker um, ohne’
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