Reich kann jeder
Woche weg. Für mehrere Autos und verschenkt, weil sie so nett waren. Pool, Teich, Go-Kart-Bahn, es gab plötzlich alles und schlechte Luft. Neider vergifteten das Pony und sprühten dem Hund Haarspray in die Augen. [2]
»Oh je, oh je, was sind das nur für Leute?«, fragte Anne, und ich erzählte noch mehr, wie viel Pech sich in ihr Leben geschlichen hatte, schon bevor sie reich wurden.
»Anne, als die geheiratet haben, hat sein Vater die Petra nicht begrüßt auf dem Fest. Der Vater war ganz böse. Er hat den beiden ein gemeinsames Beerdigungsunternehmen vorgeschlagen und wollte sie samt den Kindern zwischen den Särgen schlafen lassen. Der Bruder von Achim wollte sie wohl aus dem Haus ekeln und ist nachts über den Dachboden gekrochen, um laute Geräusche zu machen.«
Wir brauchen noch ein Gastgeschenk, ein tolles, persönliches, und haben keins, nichts, was zeigt, wie gut sie und wir, wie gut wir alle zusammenpassen.
In einem Hamburger Lottoshop klaut Anne Lotto-Kugelschreiber, die das Bubert-Glück an unseres, ihre Leben an unsere binden sollen. Gleich zwei, einen für unseren Schein und einen für ihren.
»Hoffentlich binden wir nicht auch ihr Pech an uns«, sagt Anne und lächelt mich an.
»Du bist eine Diebin«, sage ich und lächele zurück. Fast fühlt es sich an, als sei das nicht ganz in Ordnung, was wir da tun. Fast fühlt es sich an, als seien wir die Lottozahlen-Klauer. Nicht die Buberts würden dann den Jackpot holen, sondern wir, und zwar mit ihren Zahlen.
Achim steht gerade an der Kasse seines Angelshops, bedient einen Kunden, der auf Hecht gehen will und Blinker kauft.
Achim erkennt uns sofort als Leute, die nicht ins Dorf gehören. Seine Frau ist nicht zu sehen. »Die ist bestimmt gerade in ihrem Pool oder auf ihrer Go-Kart-Bahn oder im dritten Nebenhaus«, denke ich.
»Wir suchen Herrn Bubert«, sagt Anne, er nickt, ein offener Blick, ein kräftiger Händedruck. Der Lottomann, der sechs Millionen für uns gewinnen soll, wenn er das denn kann, trägt einen Schnauzer und ein Muskel-Shirt.
»Schön, dass Sie da sind«, sagt er.
Schön, dass wir da sind, denke ich und gucke ihm in die Augen. Können sie die Zahlen sehen? Es sind blaue Augen, ganz klare. Er hat Ringe darunter. Ringe sind rund, Kugeln sind rund.
Ich werde mich jetzt fallen lassen, denke ich, ich lasse mich fallen in den Aberglauben und sinke da hinein. Wenn sich seine Frau den Schein heimlich in den Ausschnitt steckt, dann macht Anne das auch.
Wenn er 7 sagt, dann nehmen wir die 7, und wenn er die 13 will, nehmen wir die 13.
Vorne gehe das nicht, sagt er. Er nimmt uns mit nach hinten. Hinten ist sein Kabuff mit einer geblümten Couch – mit Blick auf die Überwachungskameras im Laden. Weihnachtsbilder hängen am Fenster, ein Weihnachtsbär mitten im Juni. Weihnachten und Lotto sind bestimmt eng befreundet.
Wir sind jetzt in seinem Tipp-Zimmer. Hier tippe er.
»Das ist aber gemütlich hier«, lobe ich, obwohl ein Blutdruckmessgerät auf dem Tisch liegt und ich Hypochonder bin und mir hoher Blutdruck immer ein bisschen Angst macht. Ich bin ganz aufgeregt. Er ist auch ganz aufgeregt, dass wir da sind.
»Sie wollen also reich werden?«, fragt er, gießt sich einen Kaffee ein und vergisst glatt, uns auch einen anzubieten.
Was sagt man jetzt? Wir knackt man einen Lottomillionär? Die Worte sind weg, dann sind sie Gott sei Dank wieder da.
»Wie läuft es mit dem Spielen?«, frage ich ein bisschen nervös. Anne rutscht mit dem Hintern weiter nach vorne, streicht sich durchs Haar.
»Gut läuft es. Sehr gut. 2003 sind wir ja noch mal am Sechser vorbeigeschrammt«, sagt er und guckt mich an. Ja, so sei das. Sie hatten ja nicht nur einen Sechser mit Zusatzzahl, sondern fast noch einen. Zwei Sechser! Zwei!
»Sie haben viel Glück?«, fragt Anne.
»Ja!« Er klingt stolz!
Er klingt, als sei gewinnen nun wirklich das Normalste von der Welt und verlieren dämlich.
Seine Frau habe damals den Super-Gewinn getippt für die Millionen, schwärmt der Glücksmensch. »Aber die Fünfer, die meisten Fünfer habe ich gehabt.«
Auch noch Fünfer!
Ich bin sprachlos.
Ich weiß nicht, wie viel ein Fünfer wert ist, aber wenn sie mehrere davon hatten, ist das sicher viel. Fünfer! Fünfer! Ich will auch! Ich kann kaum noch sprechen, weil ich keinen Fehler machen will, nichts versauen für die Zahlen.
»Sie haben ja offensichtlich eine Gabe«, übernimmt Anne.
»Ja, na klar!«, sagt er. »Wir gewinnen fast jede Woche. Wir hatten mal
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