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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Abfolge der Login-IDs ausgedruckt worden: die niedrigste Nummer zuerst, die höchste zuletzt. Das war aufgrund der »verflucht billigen Software«, auf der die Uni nach wie vor bestand, leider nicht anders möglich gewesen. So ähnlich hatte Steve Horton es ihnen erklärt, als Mick Hume ihn deswegen zu Hause anrief und beim ›Quake‹-Spielen unterbrach. Zu ihrem Ärger hatten sie es deshalb nicht mit einer einfachen alphabetischen Liste zu tun gehabt, sondern sich mühsam durch ein völlig ungeordnetes Namensgewirr kämpfen müssen, was sie weit mehr Zeit gekostet und Mick Hume gar nicht gefallen hatte. Ist ja schon gut, sagte Barber. Schließlich hatten sie es jetzt geschafft. Das war es, was zählte.

26
    Sie hatten ihm noch im Wald die Augen verbunden und ihn dann irgendwie abtransportiert. Er lag auf dem Boden, das Gesicht auf Metall gedrückt, die Gummisohle von einem der Dreckskerle hart im Genick. Schwer zu sagen, wie lange das so ging. Nicht sehr lange. Zehn Minuten vielleicht. Sie hatten nicht geredet, nicht mal untereinander. Dann war er in den Arsch getreten und aus dem Wagen gestoßen worden, die Hände immer noch auf dem Rücken gefesselt, die Augen immer noch verbunden. Sie drehten ihn im Kreis, bevor sie ihn nach drinnen brachten. Bis ihm völlig schwindelig wurde und er kaum noch wusste, wo oben und unten war, ob sie nun eine Treppe hinauf- oder hinuntergingen, nach links oder rechts.
    Die beiden Kräftigeren hatten ihn festgehalten, während der Dritte ihn schlug und trat, in den Magen, die Eier, die Rippen. Er hatte den Eindruck, dass da noch einer war, ein Vierter, der ihn ebenfalls schlug. Leichte Schläge, die kaum wehtaten. Ihn dann aber ohrfeigte, links, rechts, links, rechts, und ihm ins Gesicht spuckte. Schon sehnte er sich nach seiner kurzen Zeit der Freiheit zurück, sehnte sie herbei wie ein alter Mann, der von einem lange zurückliegenden Sommertag seiner Jugend träumt.
    Sie hatten ihm die Fessel um die Handgelenke und seine Augenbinde abgenommen, bevor sie ihn in das Ding hineinzwängten. Er hatte nur zwei, drei Sekunden etwas sehen können, aber es hatte gereicht, um festzustellen, dass sie wieder zu dritt waren. Maskierte Köpfe, stoßende Arme und rempelnde Körper. Sie schoben ihn rückwärts hinein und drückten das Ding fest zu.
    Seine Finger hatten mittlerweile jeden Zentimeter erkundet, den er erreichen konnte, und er hatte die ganze verdammte, verfluchte Abscheulichkeit kapiert, wusste jetzt, worin er steckte. Jeder mit seinen Interessen und seiner Besessenheit würde das sofort kapieren. Hatten sie etwa was anderes erwartet? Hatten sie vielleicht gehofft, die Ungewissheit würde die Panik noch verschlimmern? Na, da lagen sie falsch. Er fuhr mit den Händen noch einmal über die Fläche vor sich. Das Metall fühlte sich rau an. Kalt und ein bisschen ölig, fettig. Wenn er nach unten sah, den Kopf so weit nach vorne zwang, wie es nur ging, war da eine Reihe kleiner Löcher über dem Boden. Acht waren es. Jedes ein heller, winziger Lichtpunkt. Schon konnte er sie nicht mehr klar erkennen. Schon tanzten sie vor seinen Augen. Ein paar Sekunden nur. Dann musste er seine Nackenmuskeln wieder entspannen und wegsehen.
    Sonst herrschte völlige, schwarze Finsternis.
    Er konnte seine Hände fühlen, wenn er sich über das Gesicht fuhr, sie aber nicht sehen. Die acht kleinen Lichtkreise, die er nur mit größter Anstrengung überhaupt in den Blick bekam, waren das Einzige, was ihm sagte, dass er nicht blind war, dass er nur wegen diesem Ding nichts sah, dass seine Augen noch nicht tot waren. Es war wahrscheinlich ein Abwägen für sie gewesen. Das bisschen Licht gegen das bisschen Luft: Je länger er atmen konnte,desto länger würde er leiden. Er drückte die Hände vor und versuchte, die Wanddicke abzuschätzen, die Stärke der Verschlüsse und Angeln. Alles fühlte sich solide an, der Aufgabe gewachsen. Er atmete so tief ein, wie er nur konnte. Atmete aus dem Bauch, hielt die Luft an, atmete langsam wieder aus. Versuchte sich seine Lebensenergie vorzustellen, sein
Chi,
in dessen Kreis er floss. Rückgrat, Kopf, Brust, Bauch. Kreisen und wiederkehren. Das Feuer im Bauch. Verlierst du das, sagte er sich, bist du fertig. Wenn er zu stehen versuchte, drückte sein Kopf schmerzvoll gegen die Decke, obwohl er immer noch halb gebeugt war. Wenn er es mit einer halb sitzenden Position versuchte, drückten die Knie qualvoll gegen die Vorderfront. Man konnte in den Erinnerungen der Männer

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