Reich und tot
Stunden damit, durchs Stadtzentrum zu streifen. Ein weiterer zielloser, unbeschäftigter Arbeitsloser. Bei Virgin und HMV sah er die CDs durch, wanderte zu Ladbrokes und studierte einen Wettzettel, setzte aber nichts. Zu Mittag ging er wieder in die »Market Tavern«, setzte sich in dieselbe Ecke wie am Samstag und aß den gleichen, wenig appetitlichen Kabeljau mit Pommes frites. Danach lief er zurück in die Bibliothek, nach oben, in den Lesesaal bei den Nachschlagewerken.
Johnson las etwa eine Stunde im ›Buch der fünf Ringe‹ und sah sich anschließend in der Kriminologie um. Hier konnte er noch was lernen, aber er war nicht in der Stimmung. Am Ende, dachte er, sind die Verbrechen anderer Leute längst nicht so interessant wie die eigenen. Für Faulenzer,Penner und Rentner stand an der hinteren Wand des Raumes ein halbes Dutzend Fernseher, komplett mit Videorekorder und Kopfhörern. Er beschloss, ›Der Weg des Kriegers‹ anzusehen, eine alte Fernsehserie der BBC, für die sie in Japan, Korea und Taiwan die Meister der verschiedenen Kampfstile gefilmt hatten. Wenn der Katalog stimmte, gab es in den Beständen eine Kopie.
Er wartete, bis die alte Bibliotheks-Vettel für die Bestellungen anderswo zu tun hatte, und ging zum Schalter. Bester Laune. Ganz das gut aussehende Raubein. Sieh mal an. Blondie hatte auch einen Namen. »Julie Myers« stand auf dem Schildchen über der linken Titte. Sie sagte, das Video stehe im hinteren Lager. Sie werde es holen und ihm bringen. Wenn er sich vielleicht schon setzen wolle?
»Das wäre toll, Julie.« Ein Lächeln, ein tiefer Blick in ihre Augen und der Anflug eines Zwinkerns. »Das ist super, wirklich super. Danke, Julie.«
PC Ogden hatte endlich einen freien Tag. Er fuhr auf den Parkplatz am Fuß des Crow Hill und parkte möglichst weit von der Straße entfernt. Das rote Cabrio erkannte er gleich an der Autonummer, die sie ihm eine Stunde zuvor am Telefon durchgegeben hatte, und auch, weil drei Personen darin saßen. Zwei Männer und eine Frau. Das hatte sie so angekündigt. Er sah, dass der Bursche hinten ein ziemlicher Brecher war, einer von der Sorte, der man lieber nicht begegnete, wenn man den »Bricklayer’s Arms« nach der Sperrstunde räumen musste. Vielleicht war es doch nicht so schlau gewesen, sich mit denen hier zu verabreden, dachte er. Aber dann sagte er sich, dass das schon in Ordnung ging. Schließlich waren das Journalisten und keine Mafiosi. Er sah sich noch ein letztes Mal um, bevor er die Tür öffnete.Insgesamt neun Wagen standen auf dem Parkplatz. Die Leute waren zum Picknicken gekommen, einige gingen mit ihren Hunden spazieren, Pärchen wollten allein sein. Draußen an der frischen Luft waren sie alle. Oben auf dem Berg oder im Wald. Er sprang aus dem Wagen, ging schnell hinüber zu dem roten Cabrio und setzte sich nach hinten neben den kräftigen Burschen.
Maddy Taylor saß auf dem Beifahrersitz.
»Dreitausend«, sagte sie und reichte einen braunen Umschlag nach hinten. »Alles in Hundertern.«
Sie drehte sich um, während sie sprach. Sie wollte seinen Gesichtsausdruck sehen.
Erst hatte er achttausend gewollt, aber sie hatte ihn heruntergehandelt. Sie hatte ihn angelogen und so getan, als wäre er nicht ihre einzige mögliche Quelle und als könnten sie die Informationen auch billiger bekommen. Investigativer Journalismus, so ein Quatsch!, dachte sie. Meist kamen die Leute von sich aus, wie dieser Typ hier, wählten nervös die Kontaktnummer, die auf der zweiten Seite der Zeitung stand, und man musste nur noch den Preis möglichst weit drücken.
Ogden sah in den Umschlag, zählte aber nicht nach. Das taten sie normalerweise nie. Entweder wollten sie, dass man dachte, sie vertrauten einem, oder es war ihnen peinlich, und sie fühlten sich unwohl in ihrer Haut.
»Das Bewährungsheim in der Mill Street«, sagte er leise. »Das CID beobachtet es rund um die Uhr.«
Maddy bedankte sich und redete noch etwas vom berechtigten öffentlichen Interesse. Es brachte nichts, dem Jungen zusätzlich Schuldgefühle einzuflößen. Er war einfach ein junger Kerl, der gut aussah und sich finanziell etwas übernommen hatte. Vielleicht mit einem Urlaub, den er sich eigentlich nicht leisten konnte, odereiner Frau, die etwas zu schnell mit der Kreditkarte bei der Hand war. Warum zum Teufel auch nicht? Wer wollte schon in einer Stadt wie der hier versauern? Mitten im Nirgendwo. Ogden nickte, sagte, er müsse jetzt wieder, und ging zurück zu seinem Auto. Die
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