Reich und tot
bemühte sich um Sachlichkeit. Er versuchte, alle Dramatik zu vermeiden, was ihm allerdings nicht völlig gelang.
»Weder das eine noch das andere, Inspector. Ich bin praktisch sicher, dass er erwürgt wurde. Genau wie Mrs Mortimer.«
Da hatte einer das volle Programm abgespult, dachte Jacobson. Nach kurzem Schweigen stellte er die unvermeidliche Frage nach dem Todeszeitpunkt.
»Die Totenstarre ist voll eingetreten, dazu gibt es Bereiche mit irreversiblen Leichenflecken. Vorbehaltlich der Obduktion könnten wir von bis zu zwölf Stunden seit Eintritt des Todes sprechen.« Robinson sah auf die Uhr, während er sprach. »Im Augenblick würde ich sagen, der Mord fand zwischen zehn und zwölf Uhr gestern Abend statt.«
Jacobson wischte sich mit seinem Taschentuch über die Stirn. Es würde ein weiterer heißer Augusttag werden. Er rief Mick Hume auf dem Handy an, der zusammen mit DC Barber auf dem Weg zum Tatort war.
»Wir ändern den Plan, Mick«, sagte er. »Fahren Sie zu Kevin Holland und sehen Sie nach, ob er da ist. Wenn ja,lassen Sie ihn nicht weg. DS Kerr und ich kommen sofort.«
»Kevin Holland«, sagte Kerr. »Ich glaube nicht, dass der . . .«
Jacobson war bereits auf dem Weg zum Auto.
»Kennen Sie jemanden mit einem besseren Motiv, Ian?«, fragte er.
Kerr überlegte, ob er noch mal auf die Mails und die Website von Aktion & Widerstand zu sprechen kommen sollte, denn wo zum Teufel sollte Kevin Holland einen Elektroschockknüppel herhaben? Aber dann entschied er sich, das Thema erst einmal ruhen zu lassen.
»Sie sind der Boss, Frank«, sagte er, und es schwang nicht die kleinste Spur Ironie mit.
Wendy Pelham und Mick Hume waren wie Materie und Antimaterie. Wenn sich ihre Fingerspitzen je berühren sollten, würden ganze Galaxien implodieren und das Universum ein paar Millionen Sterne verlieren.
»Die haben kein Recht, hier einfach so einzudringen«, sagte sie zum fünften oder sechsten Mal und starrte wütend vom Sofa zu Hume hinüber.
»Ich dachte, ich hätte Ihnen gesagt, den Mund zu halten«, sagte Hume, der den Türrahmen mit seinem massigen Körper füllte.
Gemäß ihres Bewährungsberichts war ihr Vater irgendwo Chirurg und hatte das Geld für eine Ausbildung am Harrogate Ladies College hingeblättert, aber sie hatte die Chance ausgeschlagen. Hume hatte nie vor einer ähnlichen Wahl gestanden.
»Lass es gut sein, Wendy«, sagte Chris Parr, der auf dem großen Kissen neben dem Gummibaum saß. »Die gehen schon wieder.«
Kevin Holland saß neben ihr. Bis jetzt hatte er noch kein Wort gesagt.
DC Barber stand am Fenster.
»Es ist so, wie ich sage«, versuchte er, die diplomatischen Beziehungen neu aufzunehmen. »Es ist in dem Fall zu neuen Entwicklungen gekommen, und DCI Jacobson muss mit Mr Holland sprechen. Niemand sonst ist gezwungen hierzubleiben, wenn er nicht will.«
Er warf einen Blick nach draußen und sah Kerrs Peugeot hinter Parrs altem Krankenwagen halten.
»Im Übrigen ist er schon da.«
Hume ging nach vorne zur Tür und ließ die beiden herein.
»Fühl dich nur ganz wie zu Hause, warum auch nicht«, rief Wendy Pelham ihm hinterher, »Faschisten-Dreckskerl.«
Jacobson kam gleich auf den Punkt und fragte Kevin Holland, wo er letzte Nacht gewesen sei.
»Ich war bis etwa neun bei Jenny«, sagte Holland.
Er hielt ein Foto von Jenny Mortimer in Händen, ohne den Blick auch nur eine Sekunde davon abzuwenden.
Jacobson sah ihn verblüfft an.
»Kevin meint, er war bei ihr im Bestattungsinstitut«, erklärte Chris Parr.
Kerr fiel auf, dass Parr immer noch das rote T-Shirt trug, das er am Samstag schon angehabt hatte.
»Ich habe ihn am Nachmittag hingebracht und später wieder abgeholt. Er war nicht in der Verfassung, selbst zu fahren. Danach haben wir hier zusammengesessen und vielleicht noch zwei Stunden oder so geredet . . .«
»Mehr als nur zwei Stunden, Chris. Es muss lange nach Mitternacht gewesen sein, als wir ins Bett sind«, warf Wendy Pelham ein.
Parr sah sie einen Moment lang an und wandte sich wieder an Jacobson.
»Ja, kann sein. Kevin und ich, wir haben etwas dem Whisky zugesprochen.«
Jacobson fragte Wendy Pelham, ob sie bereits zu Hause gewesen sei, als Parr und Holland vom Bestattungsinstitut zurückkamen.
»Ja, war ich, falls Sie das irgendwas angeht«, antwortete sie. »Warum schikanieren Sie uns so? Warum wollen Sie das wissen?«
Aber Jacobson war schon bei seiner nächsten Frage.
»Gibt es jemanden, der hier nicht wohnt und der Ihre Angaben zumindest
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