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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zu«, murmelte Hume gerade noch hörbar.
    Jacobson sagte, er selbst wolle ins Bestattungsinstitut fahren, um Hollands Alibi zu überprüfen.
    »Was DS Kerr angeht, so fährt er nach Birmingham und befragt die
erste
Mrs Gus Mortimer   ... die vielleicht, oder auch nicht, ebenso hübsch anzusehen ist wie die zweite.«
    Hume war mittlerweile regelrecht in Partylaune und fing an, eine alte Melodie zu pfeifen, die nach Kerrs Meinung längst in die Mottenkiste gehörte: ›Some Guys Have All The Luck‹.
     
    Die Umgehungsstraße war so leer, wie sie überhaupt nur sein konnte. Solange man die Ferienrouten und Innenstädte mied, konnte das Autofahren auf Großbritanniens sommerlichen Straßen fast angenehm sein. Wenn sich ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung im Urlaub befand und die Schulen geschlossen waren, ließ sich selbst der Berufsverkehr ertragen. Man kam sogar durch die Vororte, ohne gegen die Geschwader von übergroßen Allrad-Limousinen ankämpfen zu müssen, in denen die Mittelklasse-Mums ihre verzogene Brut zur Schule und später wieder nach Hause chauffierten. Kerr schob John Lee Hooker ins Kassettendeck, drehte das Fenster herunter und ließ ›Boom Boom‹ und ›Crawling King Snake‹ in die Luft hinausschallen. Nach einer Weile stellte er die Musik jedoch wieder aus, da er nicht anständig denken konnte, wenn er mit jedem Basswummern aufs Lenkrad trommelte.
    Die Idee, Gus Mortimers erste Frau zu besuchen, war Jacobson am Abend auf der Rückfahrt von Boden Hall gekommen und zeugte von der Gründlichkeit, mit der er den gesamten Hintergrund auszuleuchten pflegte und alle Perspektiven einzunehmen versuchte. Wobei es imLicht der neuen Entwicklungen wohl eine weniger dringliche Aufgabe war, die Kerr aber gar nicht so ungelegen kam: Die Fahrt nach Birmingham und wieder zurück dauerte jeweils eine Stunde. Zwei Stunden allein im Auto. Zwei Stunden, um ganz für sich alles zu durchdenken. Am Sonntagnachmittag noch hatte Jacobson den Hass-Mails und Irren mit der Website ernsthaft Beachtung geschenkt, ganz gleich, wie sehr er diesen Eindruck zu zerstreuen versuchte. Wenn er dieser möglichen Spur jetzt nicht mehr nachging, hieß das, dass er darüber nachgedacht und ihre Relevanz abgewägt hatte. So arbeitete er, und deshalb war er so gut in seinem Job. Trotzdem, aus irgendeinem Grund – vielleicht auch ohne Grund – konnte Kerr nicht ganz von dieser Spur lassen, und die kranke Art und Weise, wie da jemand Gus Mortimers Körper mit Hilfe eines Elektroschockknüppels zugerichtet hatte, bestärkte ihn noch darin.
    Er kam gut voran und erreichte die M42, Anschlussstelle sechs, das »NE C-Hotel « und den Flughafen, kaum vierzig Minuten später. Noch zehn Minuten und er verließ die Autobahn über die Abfahrt Nummer vier. Für einen Ortsfremden wie Kerr begann Birmingham irgendwo zwischen der äußeren Ringautobahn und dem Zentrum. In der nebulösen Vorstellung der Ortsansässigen dagegen waren die Gegenden hier draußen – Knowle, Hockley Heath, Eastcote – so weit von Handsworth und dem Queensway Circus entfernt wie Richmond oder Henley-on-Thames von Hackney. Hierher verflüchtigten sich die Erfolgreichen, die genug Geld angehäuft hatten, um sich gepflegte Beinfreiheit erlauben zu können. Wenn man erst einmal von der Autobahn runter war und über die kleinen Straßen fuhr, die sich durch die grüne, offene Landschaft schlängeltenoder von überwucherten Mauern gesäumt waren, die baumbestandene Grundstücke umfriedeten, dann hatte man das Gefühl, viele, viele Reisekilometer zwischen sich und die Alltagsarena gebracht zu haben. Wo immer die schuftenden Massen lebten, hier ganz sicher nicht. Hier lebten die, für die sie schufteten.
    Kerr hielt am Grünstreifen, um seine Karte zu konsultieren. Als er den Motor ausstellte, hörte er Vögel singen. Um seinen Außenspiegel brummte eine dicke Hummel. Auf der anderen Seite kam eine Reiterin auf einem großen, eleganten Braunen vorbei. Sie war jung und blond und lächelte ihm freundlich zu. So sehr er seines Vaters Sohn war, kam er doch nicht umhin, ihr Lächeln zu erwidern und das sanfte, müßige Klappern der Pferdehufe zu genießen.
    Hucklecote Cottage lag eine Meile weiter etwas abseits von der Straße, am Ende eines schmalen Privatweges. Wer wusste, ob hier je tatsächlich ein Cottage gestanden hatte, aus Lehm und Strohgeflecht? Wenn ja, war jedenfalls nichts mehr davon übrig. Am Ende ging der Weg in eine ordentliche Einfahrt zu einem modernen, stattlichen

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