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Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)

Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)

Titel: Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Reddas
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will ich Tom ansehen, aber der ist schon ausgestiegen und verschwunden. Ich steige also auch aus und sehe, dass er hinter dem Auto hockt und irgendwas am Nummernschild herumfummelt.

    So doll, wie es mit seiner Verletzung geht, zerrt er an dem Nummernschild und greift darunter, nachdem es sich ein wenig abgehoben hat. „Der hat meinem Auto einen Peilsender verpasst!“, schreit Tom wieder und schmeißt ein kleines rundes Etwas auf den Boden, bevor er darauf tritt und es zersplittert. „Was?“, frage ich verwirrt nach und sehe Tom dazu unterstützend an. „Mein Großvater hat früher seine Leute immer mit Peilsendern bespickt, um Maulwürfe und falsche Spiele zu erwischen. So hat er zumindest früh erahnen können, wer ihn linkt und wer wirklich seine Arbeit so ausführt wie aufgetragen. Und bei mir hat er das auch gemacht!“, erklärt er mir und fährt sich mit seiner Hand durchs Gesicht. „Wir können nicht weiter auf der Autobahn bleiben. Wir müssen abfahren und schauen, wo wir weiterfahren, aber hier ... Sollte Fabio uns folgen, dann kann er uns bis hierher folgen! Wir fahren noch ein Stück auf der Autobahn weiter, aber maximal eine halbe Stunde, da er denken wird, dass wir entweder ganz auf der Autobahn weiter fahren oder gleich abfahren. Also los!“ Ich nicke nur, steige wieder ein und warte, bis Tom ebenfalls eingestiegen und bereit ist, ehe ich den Motor wieder starte, Kick-down benutze, um sofort eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen und dann mit etwa 200 Sachen weiter presche. „Tut mir leid, dass du so eine Familie hast“, murmle ich ehrlicherweise und muss das einfach mal gesagt haben. Ein Mensch mit solch einer Familie ist einfach nur zu bemitleiden, vor allem, wenn er auch noch so ein netter Mensch ist. „Meine Eltern sind anders. Sie sind nett und halten verständlicherweise selber nicht viel von meinen Großeltern, von daher ging es immer, außer wenn sie da waren“, erwidert Tom trocken und streicht sich sachte über die Schulter. „Tut es noch sehr weh?“, hake ich besorgt nach, will ja nicht, dass sich das verschlimmert und sich vielleicht doch noch was entzündet. „Es geht schon. Es ist minimal besser geworden, ist halt eine blöde Stelle. Sobald ich mich bewege, tut es weh, aber ich werde das überleben, keine Angst!“, lacht er trocken auf und legt dann seine Stirn gegen die Fensterscheibe.

    „Ich hätte alles gegeben, um in einer normalen Familie aufzuwachsen, wie du es getan hast. Immer wurde ich kontrolliert und musste das machen, was mir gesagt wurde. Ich durfte als Kind nicht mal auf den Spielplatz gehen, weil mein Großvater damals mit im Haus gewohnt hat und mich von Anfang an auf dem Kieker gehabt zu haben schien. Ich durfte nie irgendwie raus gehen, durfte weder Freunde haben, noch zur Schule gehen. Ich wurde privat unterrichtet, genauso wie mein Bruder. Ich hatte nicht mal eine richtige Beziehung zu jemanden … Wenn ich doch mal wegen irgendwas raus durfte und jemanden kennengelernt habe, wurde ich wieder stärker überwacht, und wenn ich mich auch nur das Geringste bisschen verknallt hatte, wurde die Person, wie auch immer, beiseitegeschafft. Erst mit 18 durfte ich wirklich raus gehen, Menschen kennenlernen, aber ich hatte keine Freunde mehr gefunden, weil ich ein total gestörtes Sozialverhalten hatte. Wie sollte ich auch wissen, wie man mit fremden, normalen Menschen umzugehen hat, wenn ich nie gelernt hatte, wie das ging? Ich hatte immer wieder versucht ein paar Leute kennenzulernen, aber niemand ... niemand konnte mich leiden, außer Paul. Mit dem verstand ich mich von Anfang an und hab ihm auch alles erzählt. Er ist das Einzige, was mir nicht weggenommen wurde, was mir etwas bedeutet hat und bedeutet, abgesehen von meinen Eltern. Ich will doch nur normal sein, wieso verstehen sie das nicht? Wieso akzeptieren sie das nicht? Bin ich so ein schrecklicher Mensch, dass ich es nicht mal verdient habe, einmal glücklich zu sein?“, fragt Tom auf einmal und wird am Schluss immer leiser, ehe er erschöpft seine Augen schließt und sich mit der Hand, den Schweiß aus dem Gesicht wischt. Wie im Film zieht die Landschaft neben der Autobahn an mir vorbei. Fast wie in einem Musikvideo, das von Musik begleitet, einen Film zeigt und man sich in einen Traum versetzt fühlt. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich Tom bemitleide und es mir leidtut, wie er bisher leben musste. Ich kann das Tun seiner Großeltern nicht nachvollziehen, das seiner Eltern aber auch nicht so

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