Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)
sage dir dann, wo wir lang müssen!“ Sofort starte ich wieder den Motor und trete kräftig aufs Gas. Ich hab vorhin ein Autobahnhinweisschild gesehen, deswegen kann sie nicht weit sein. Nach nicht mal fünf Minuten fahre ich dann tatsächlich auch schon auf, nachdem Tom mir gesagt hat, welche Auffahrt ich nehmen muss und lasse die Tachonadel immer weiter nach oben bzw. rechts schwingen. Mein Beifahrer erklärt mir noch, wo ich lang fahren muss und nimmt sich dann ein T-Shirt als Kopfkissen. „Ich schlafe jetzt eine Runde, bin schon wieder ganz schön müde. Wenn was ist, wecke mich und suche bitte wirklich rechtzeitig eine Pension, wenn du merkst, dass du müde wirst!“, bittet er mich und bekommt von mir ein ehrliches und folgendes Nicken, bevor er die Augen schließt und kurz darauf eingeschlafen zu sein scheint. Ich glaube, wir haben beide noch nicht wirklich realisiert, dass wir jetzt wirklich frei sind. Dass seine Großeltern wirklich tot sind und wir somit nicht mehr fliehen müssen. Tom ist frei und ich ... Ich ja jetzt auch, oder? Er hat gesagt, dass ich gehen kann, wenn ich möchte, also kann ich doch auch direkt nach Hause, wenn wir wieder in Hamburg sind, oder? Ja, doch … und ich glaube ihm da auch wirklich, dass ich gehen darf. Ich kann nur nicht wirklich fassen, dass ich bald wieder … zu Hause sein kann. In meiner Wohnung, bei meinen Freunden, meiner Familie und meiner gewohnten Umgebung. Ohne Mafia, ohne Toms Villa, ohne verrückte Familie und ohne Tom.
Nur ... Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht genau, ob ich Tom wirklich alleine lassen will. Ich hab ihn angeschossen und ich habe ihm mehr oder weniger dieses Problem verschafft. An mich scheint er sein Herz verloren zu haben und mich hat er beschützt. Er ist doch alleine, wenn ich nicht da bin!? Zumindest ohne jemanden, mit dem er reden kann. Abgesehen von seinen Eltern und seinen, eventuell noch vorhandenen Leuten, ist er doch alleine. Paul ist in München und ich weiß nicht, wann er wieder da ist. Aber selbst wenn der da wäre … Ich weiß nicht genau, aber mich beklemmt es etwas, einfach so zu verschwinden, wenn wir wieder da sind. Es wirkt so ... undankbar. Auch wenn ich Tom keinerlei Dank zuteil kommen lassen muss, da es eigentlich nichts zu danken gibt, muss ich dennoch zugeben, dass ich ihn gern hab. Vielleicht mehr als nur gern? Nein … Nein, das nun wirklich nicht … denke ich. Ich weiß es nicht, es ist alles so komisch in letzter Zeit. Ich weiß gar nicht was ich denken soll. Ich hab von Anfang an offen gedacht, dass er wirklich gut aussieht und er eigentlich genau mein Typ wäre, aber die Umstände, die die letzten Wochen begleitet haben, distanzieren mich. Ich kann sagen, dass ich Interesse an Tom habe, das gebe ich sogar offen vor mir selbst zu, auch wenn mir dabei nicht behagt, aber das, was Tom alles mit mir gemacht hat, hat eine Mauer zwischen uns aufgezogen und ich wage zu bezweifeln, dass ich die irgendwann richtig überwinden werde. Ich stehe auf ihr aber ich traue mich nicht runterzuspringen, um auf seine Seite zu gelangen ... Ich möchte es wirklich gern, weil ich ... ihn eben mag und Tom wirklich mal einen Menschen verdient hat, der ihn aufrichtig liebt und für ihn da ist, aber Gefühle kann man nicht herbeizaubern. Und ich weiß auch nicht, ob die wenig Vorhandenen reichen würden, um etwas Festes aufzubauen. Irgendwann befinde ich mich zu müde zum Fahren, weil meine Konzentration schon um einiges nachgelassen hat und meine Augen auch immer wieder zufallen. Gott sei Dank kann ich aber auch kurz nach der Feststellung, schon ein Autobahnschild erkennen, auf welchem das Pensionszeichen abgebildet ist. Sofort setze ich den Blinker und fahre an der richtigen Abfahrt, direkt zu der Pension, wo daneben auch eine Raststätte und eine Tankstelle sind. Keine besonders angenehme „Urlaubsatmosphäre“, das ist aber bei uns ja auch nicht Sinn und Zweck der Sache und bei den meisten, die in dieser Pension nächtigen, sicher auch nicht.
Langsam komme ich mit dem Wagen zum Stehen und stelle dann den Motor aus. Einige Momente sehe ich Tom an, mustere ihn und rüttle dann sachte an seiner Schulter. An der linken natürlich, ich will ihm ja nicht wehtun. „Tom?? Tom, wach auf! Komm schon, ich bin müde und würde gerne in die Pension!“, rüttle ich weiter und stiere ihn an, hoffe, dass er gleich wach wird und wir rein gehen können. Ich will nur noch schlafen und morgen, bzw. heute dann weiter Richtung Deutschland
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