Reid 2 Die ungehorsame Braut
Zunge.
»Ein Satz von ihm, und schon gehen Sie an die Decke.«
»Selbst, wenn es gar nicht seine Absicht ist, mich zu provozieren«, sagte Ophelia mit gedämpfter Stimme, aus Angst, Raphael könnte durch die geschlossene Tür lauschen. Dann sagte sie jedoch: »Nein, das nehme ich zurück. Er legt es darauf an, mich aus der Reserve zu locken.«
»Als eine Art Strategie? Um Ihnen zu helfen, Ihr Temperament unter Kontrolle zu bringen?«
»Dann braucht er dringend eine Lektion in Sachen Strategie. Es funktioniert nämlich nicht.«
»Versuchen Sie denn wenigstens, Ihre Impulsivität zu drosseln?«
Ophelia seufzte. »Das habe ich bereits. Immerhin schreie ich ihn nicht mehr an.«
Esmeralda grinste, doch dann schlich sich Nachdenklichkeit in ihren Blick. »Ich würde Ihnen gern eine Frage stellen. Warum sträuben Sie sich gegen Ihren Aufenthalt hier? Vergessen Sie nicht, dass Sie es mit einem der begehrtesten Junggesellen Englands zu tun haben, der sich alle Mühe gibt, Ihnen zu helfen. Ich hätte angenommen, Sie würden sich das zum Vorteil machen.«
»Warum sollte ich?«
»Aber warum nicht? Er hat mir erklären wollen, dass Sie ihn nicht sonderlich mögen. Ich verstehe gar nicht, wie man ihn nicht mögen kann, er ist doch so ein netter Junge. Er ist sympathisch, witzig, von angenehmem Äußeren und entstammt einer der renommiertesten Familien des Königreichs, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben.«
»Ich sage es nur höchst ungern, aber Sie sind in dieser Angelegenheit voreingenommen, was durchaus verständlich ist. Schließlich reden wir hier von Ihrem Neffen. Alles, was Sie vorgebracht haben, rechtfertigt nicht, dass er sich in mein Leben einmischt.«
Esmeralda legte die Stirn in Falten. »Soll das heißen, dass Sie nicht kooperieren werden und von seinen Anstrengungen auch nicht profitieren wollen?«
Ophelia stieß einen gedehnten Seufzer aus. »Es mag nicht so wirken, aber ich kooperiere. Eine andere Möglichkeit habe ich nicht, wenn ich in absehbarer Zeit wieder nach Hause möchte.«
Kapitel sechzehn
A manda! Was, zum Teufel, willst du denn hier?«
Raphael war verdutzt, als sein Blick auf seine jüngere Schwester fiel. Sie hatte Alder’s Nest noch nie einen Besuch abgestattet, und mit einem Mal stand sie mitten im Salon und klopfte sich energisch den Schnee vom Mantel. Vor ungefähr einer Stunde hatte es wieder zu schneien begonnen, ziemlich genau, als Ophelia aus dem Zimmer gerannt war. Amanda konnte Schnee nicht sonderlich ausstehen, doch Raphael ahnte, dass hinter ihrer Erbostheit etwas anderes steckte.
Sie bedachte ihn mit einem düsteren Blick. »Was ich hier will? Ich verpasse einen sehr netten Ball, um hierherzufahren und herauszufinden, was du hier treibst. Es war abgemacht, dass du mir nach London folgst. Warum hast du das nicht getan?«
»Ich habe gesagt, ich würde...«
Doch Amandas Tirade war noch nicht beendet, weshalb sie ihm das Wort abschnitt. »Alle Welt fragt nach dir. Und fast alle meine Freundinnen waren enttäuscht, dass du nicht mit mir in die Stadt zurückgekehrt bist.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht mehr mit dir zu diesen Partys gehen würde, dass nach Summers Glade damit Schluss wäre. Unzählige Cousinen und Tanten von uns leben in London und könnten dich begleiten, meine Liebe. Deshalb ist es einerlei, wann ich mich wieder in London blicken lasse, meinst du nicht auch?«
»Aber du bist ein gefragter Mann, vergiss das nicht.«
Raphael hob eine Augenbraue. »Du meinst, bei den gackern-den Hühnern, die sich um dich scharen und die du als Freundinnen bezeichnest.«
»Sie bewundern dich eben. Wie alle Frauen.«
»Nicht alle«, antwortete er und dachte dabei an seinen Hausgast. »Bitte zieh den Mantel aus. Es ist ziemlich warm hier drin. Oder hast du gar nicht vor zu bleiben?«
Amanda entging der hoffnungsvolle Unterton in seiner Stimme; sie lief schnaufend zum Kamin und hielt die Hände ans Feuer. »Ich ziehe es vor, ihn noch ein wenig anzubehalten. Mir ist nämlich kalt bis auf die Knochen. Die Kohlenpfanne in der Kutsche ist vor zwei Stunden erloschen. Ich habe mir die Schoßdecke mit der Zofe teilen müssen. Wir haben versucht, uns gegenseitig zu wärmen, was allerdings nur mäßig erfolgreich war. Weshalb, zum Teufel, hast du eigentlich nur eine Schoßdecke in deiner Kutsche?«
»Weil die Kohlenpfanne meist genug Wärme absondert, so dass ich sie gar nicht brauche. Du bist also mit meiner Kutsche hier?«
»Natürlich! Ich habe ja kein eigenes
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